Wie geht es weiter in Norden ? Gespräch mit Frau Dr. Gesang und Dr. Held

Wie­der­hol­te mehr­wö­chent­li­che Schlie­ßung  der OP-Bereit­schaft  an  Wochen­en­den , Ein­schrän­kun­gen der Labor­be­reit­schaft, Sta­ti­ons­schlie­ßun­gen,  tem­po­rä­re Umwan­dung einer psych­ia­tri­schen Sta­ti­on in eine Tages­kli­nik im April —  die Mel­dun­gen über gra­vie­ren­de  Eng­päs­se an der Nor­der UEK rei­ßen nicht ab. Mitt­ler­wei­le ist  eine exis­ten­zi­ell kri­ti­sche  Per­so­nal­si­tua­ti­on – sowohl im ärzt­li­chen als auch pfle­ge­ri­schen Bereich – für einen ord­nungs­ge­mä­ßen Betrieb des Kran­ken­hau­ses ein­ge­tre­ten. Unab­hän­gig von der grund­sätz­li­chen Ent­schei­dung über die Zukunft der Kran­ken­häu­ser in Emden, Aurich und Nor­den, von poli­ti­schen Wei­chen­stel­lun­gen nach dem Emder Bür­ger­ent­scheid und den Land­rats­wah­len im Land­kreis Aurich stellt sich des­halb  für Mit­glie­der und Freun­de des För­der­ver­eins die Fra­ge : Wie soll und wie kann es in den nächs­ten Jah­ren wei­ter­ge­hen mit der sta­tio­nä­ren Gesund­heits­ver­sor­gung  in Nor­den ?

In einem Gespräch der drei Nor­der Par­tei­en CDU, ZOB und Grü­ne mit der Geschäfts­füh­rung im Herbst 2018 wur­den Erwar­tun­gen geschürt, doch lei­der gab es bis­lang kei­ne greif­ba­ren  Aus­sa­gen zu Plä­nen für die Sicher­stel­lung der sta­tio­nä­ren Ange­bo­te an der Nor­der UEK in den nächs­ten Jah­ren. Der För­der­ver­ein hat des­halb Frau Dr. Astrid Gesang, die medi­zi­ni­sche Geschäfts­füh­re­rin der UEK und Herrn Egbert Held , den ärzt­li­chen Direk­tor der UEK Nor­den, zum öffent­li­chen run­den Tisch am 14.5.2019 ein­ge­la­den und nachgefragt.

Das infor­ma­ti­ve Gespräch ver­lief in sehr sach­li­cher und ruhi­ger Atmo­sphä­re, auf Grund­satz­dis­kus­sio­nen „Zen­tral­kli­nik ja oder nein“  wur­de ganz bewusst ver­zich­tet. Statt­des­sen stan­den im Mit­tel­punkt kon­kre­te Fra­gen zur Sicher­stel­lung der Per­so­nal­de­cke, zu mög­li­chen Erwei­te­run­gen des Ange­bots­spek­trums der Nor­der UEK und zu mög­li­chen Wegen im Umgang der Kli­nik mit neu­en bun­des­po­li­ti­schen  Stan­dards und Vor­ga­ben. Denn es sind die­se Fra­gen, auf die das Manage­ment  für die kom­men­den Jah­re Ant­wor­ten geben muß, unab­hän­gig davon, ob es die Ziel­lö­sung in einer Kon­zen­tra­ti­on der hie­si­gen Kli­nik­land­schaft sieht oder ob es sich eine wei­test mög­li­che Siche­rung der drei bestehen­den Stand­or­te auf die Fah­nen schreibt.

Per­so­nal

Als „Haupt­sor­gen­kind“ sieht auch Frau Dr. Gesang die  Chir­ur­gie – und damit einen  Kern­be­reich der Grund- und Regel­ver­sor­gung.  In die­sem Bereich hängt der Betrieb in Nor­den der­zeit an den zwei Chef­ärz­ten, die mit enor­mem Ein­satz die Ver­sor­gung der Pati­en­ten sichern. Das Ange­bots­spek­trum sei aber auch aus einem ande­ren Grund  gefähr­det :  Mit den Kapa­zi­tä­ten in der Chir­ur­gie kön­ne man   die nach der Min­dest­men­gen­re­ge­lung für Endo­pro­the­tik erfor­der­li­chen Fall­zah­len  an  Knie­pro­the­sen- OPs  nicht  errei­chen. (Hin­weis dazu: Der Qua­li­täts­be­richt 2017 für Nor­den wies nur 13  Knie­ge­lenk-Total­en­do­pro­the­sen aus, mit dem Ver­merk „Aus­nah­me­tat­be­stand auf­grund per­so­nel­ler Neu­re­ge­lun­gen“. Im glei­chen Zeit­raum wur­den für Aurich 211 Fäl­le gemel­det, mit denen man dort die Min­dest­men­ge von 50 Fäl­len weit über­schritt). Eine Neu­be­set­zung einer wei­te­ren Chir­ur­gen­stel­le, wie sie vom För­der­ver­ein bereits seit län­ge­rer Zeit gefor­dert wur­de, steht der­zeit aller­dings nicht in Aus­sicht. Bis­lang, so Frau Dr. Gesang,  sei sie an  feh­len­den Qua­li­fi­ka­tio­nen  poten­zi­ell infra­ge kom­men­der  Mit­ar­bei­ter geschei­tert. Man  wol­le sich am liebs­ten mit jün­ge­ren Nach­wuchs­kräf­ten ver­stär­ken, fin­de aber die ent­spre­chen­den Kräf­te nicht. (1)  Auch ein Trans­fer von geeig­ne­ten Ärz­ten inner­halb der  Trä­ger­ge­sell­schaft Kli­ni­ken Aurich-Emden-Nor­den, wie ihn Mit­glie­der des För­der­ver­eins als mög­li­che Lösung vor­schlu­gen, sei, so hieß es, nicht umsetz­bar : Zum Einen schei­te­re ein sol­cher kli­nik­über­grei­fen­der Schritt an der feh­len­den Bereit­schaft der Auricher Ärz­te, die ver­trag­lich nur ihrem Stand­ort ver­pflich­tet sei­en und nicht als Unter­stüt­zung in Nor­den ein­ge­setzt wer­den woll­ten. Zum ande­ren sei es mit den bestehen­den Struk­tu­ren nicht zuläs­sig, behand­lungs­be­dürf­ti­ge Fäl­le  zwi­schen den bei­den UEK-Ein­hei­ten umzu­ver­tei­len (Hin­ter­grund sei die an den Stand­ort gebun­de­ne “IK-Num­mer” : auf Basis des sog. „Insti­tu­ti­ons­kenn­zei­chens“ erfolgt die Abrech­nung mit den Kassen)(2). Im Bereich der Inne­ren Medi­zin sei man hin­ge­gen opti­mis­tisch, in kur­zer Zeit eine Neu­be­set­zung hin zu bekommen.

Ange­bots­spek­trum :  Rahmenbedingungen 

Daß das Nor­der Kran­ken­haus – allen aktu­el­len Unken­ru­fen zum Trotz – kei­nes­wegs „zwangs­läu­fig vor dem Aus“ steht, dafür gab es im Rah­men der Rede des Staats­se­kre­tär Scholz am 24. April in Emden einen deut­li­chen Hin­weis : Die Kran­ken­häu­ser in unse­rer Regi­on, so berich­te­te Scholz, wer­den von der Bevöl­ke­rung über­durch­schnitt­lich stark ange­nom­men : So nut­zen 67% der Emder ihr Kran­ken­haus, im Land­kreis Aurich liegt die Quo­te der­je­ni­gen, die die UEK nut­zen, mit deut­lich über 50% immer noch auf einem ver­gleichs­wei­se hohen Wert. Die Zah­len bestä­ti­gen, daß der Bedarf und die Akzep­tanz da sind – wäh­rend ein fort­ge­setz­ter Abbau von Leis­tun­gen und per­so­nel­len Res­sour­cen ande­rer­seits selbst eine Abwärts­spi­ra­le beför­dert und zum Ver­lust wei­te­rer Pati­en­ten führt. Zu ande­ren hat­te Scholz auch dar­auf hin­ge­wie­sen, daß es bei den plan­ba­ren Leis­tun­gen eine erkenn­bar gegen­läu­fi­ge Ten­denz gibt : Pati­en­ten, die sich einer geplan­ten OP unter­zie­hen müs­sen und die mobil sind, wan­dern ab – selbst dann, wenn „ihre“ Kli­ni­ken in der Regi­on  die benö­tig­te Leis­tung im Ange­bot haben.

Frau Dr. Gesang wies auf den Trend hin, daß Kran­ken­kas­sen der Kli­nik zuneh­mend  Erstat­tun­gen mit der Begrün­dung ver­wei­gern, die sta­tio­nä­ren Fäl­le gehör­ten „eigent­lich“ in ambu­lan­te Behand­lung. Das Nor­der Kran­ken­haus sei dabei über­durch­schnitt­lich betrof­fen. Die Kli­nik  reagiert auf die­sen Trend, in dem sie Behand­lun­gen, die frü­her für einen oder zwei Tage sta­tio­när auf­ge­nom­men wor­den wären,  im Vor­feld bereits „aus­fil­tert“. Von die­ser Ent­wick­lung sind die ver­gleichs­wei­se „ein­fa­chen“ Erkran­kun­gen pri­mär betrof­fen. Gegen sol­che Vor­ga­ben, mit denen es Kli­ni­ken erschwert wird, aus Pati­en­ten­sicht oft und häu­fig benö­tig­te Leis­tun­gen zu erbrin­gen, indem sie wirt­schaft­lich aber nicht ange­mes­sen hono­riert wer­den, müs­se auf Lan­des­ebe­ne über die Ver­hand­lun­gen zwi­schen Kran­ken­haus­ge­sell­schaft und Kas­sen Druck aus­ge­übt wer­den, so die Erwar­tun­gen der Fördervereinsmitglieder.(3) Auch auf Bun­des­ebe­ne müs­se hier gegen­ge­steu­ert wer­den, weil sol­che „Trends“ der staat­li­chen Selbst­ver­pflich­tung  zur Sicher­stel­lung einer flä­chen­de­cken­den sta­tio­nä­ren Ver­sor­gung direkt zuwi­der­lau­fen. Der För­der­ver­ein hält es nicht für ange­mes­sen, wenn  sich Kli­nik­ma­nage­ment und poli­ti­sche Auf­trag­ge­ber hier hin­ter den recht­li­chen Vor­ga­ben ver­ste­cken und in vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam Ange­bo­te gefähr­den oder gar abbau­en, die die Bevöl­ke­rung  in unse­rer Rand­re­gi­on braucht.(4).

Was könn­te in Nor­den noch dazu­kom­men oder gestärkt werden ?

Frau Dr. Gesang stell­te als kon­kre­te Opti­on eine Stär­kung der Endo­pro­the­tik vor. Auch in  die­ser Fach­rich­tung  gebe es aller­dings den Trend zu einer stär­ke­ren „Ambu­lan­ti­sie­rung“. Man wol­le aber mit dem neu zu gewin­nen­den Inter­nis­ten in die­sem Bereich einen Schwer­punkt setzen.

Die Abtei­lung für Schmerz­the­ra­pie, die es außer in Nor­den an kei­nem der umlie­gen­den Häu­ser gibt, sol­le auf jeden Fall gesi­chert wer­den, man müs­se sie aber mehr als bis­her inter­dis­zi­pli­när besetzen.

Die Pal­lia­tiv­sta­ti­on soll wei­ter wach­sen. Erwei­te­run­gen in die­sem Bereich will man auf Nor­den fokus­sie­ren. Hier genie­ße die UEK Nor­den hohe Aner­ken­nung und Wert­schät­zung in der Bevöl­ke­rung, die Finan­zie­rung durch die Kas­sen sei jedoch problematisch.

Für die Psych­ia­trie favo­ri­sie­ren Dr. Gesang und Dr. Held eine Ver­tei­lung auf 4 bis 5  Sta­tio­nen in der Flä­che. Der der­zei­ti­ge per­so­nel­le Eng­paß, der dazu geführt hat, daß die Sta­ti­on 2 der­zeit als Tages­kli­nik betrie­ben wird (und damit im 1- statt 3‑Schicht-Betrieb) , sei vor­über­ge­hend und soll schnellst­mög­lich besei­tigt wer­den. Aller­dings sei es auch in der Psych­ia­trie so, daß die Per­so­nal­de­cke soeben aus­rei­che, um den Betrieb abzudecken.

Mit dem zurück­ge­won­ne­nen Sta­tus als Lehr­kran­ken­haus, so hofft Dr. Held, habe man nun auch wie­der die Chan­ce, Nach­wuchs­me­di­zi­ner an den Stand­ort zu bin­den, nach­dem sie das hie­si­ge Umfeld wäh­rend ihrer Aus­bil­dung ken­nen­ge­lernt hätten.

Der För­der­ver­ein begrüßt, daß die UEK ihre Ange­bo­te im Rah­men von  Tagen der offe­nen Tür (wie kürz­lich im Bereich Inne­ren Medi­zin) den Bür­gern vor­stellt und bot sei­ne Unter­stüt­zung an, aktiv an der Durch­füh­rung von  Ver­an­stal­tun­gen, z.B. im Bereich der Chir­ur­gie, zusam­men  mit Ärz­ten in der UEK mitzuwirken.

(1)  Als eine Ursa­che  dafür benann­ten Dres. Gesang und Held  die begren­zen Mög­lich­kei­ten in der fach­ärzt­li­chen Wei­ter­bil­dung in Nor­den auf­grund der beschränk­ten Anzahl von Fach­ab­tei­lun­gen. Für den För­der­ver­ein ist das aller­dings nicht in der auf­ge­zeig­ten Zwangs­läu­fig­keit nach­voll­zieh­bar. Zwar gibt es sicher Jung­me­di­zi­ner, für die es attrak­tiv ist, mög­lichst  vie­le fach­li­che Berei­che am glei­chen Ein­satz­ort ken­nen­zu­ler­nen. Die   Wei­ter­bil­dungs­ord­nung der Ärz­te­kam­mer Nie­der­sach­sen ver­langt, daß an einer zuge­las­se­nen Wei­ter­bil­dungs­stät­te Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in so aus­rei­chen­der Zahl und Art behan­delt wer­den, dass sich die Wei­ter­zu­bil­den­den mit den typi­schen Krank­hei­ten des jewei­li­gen Gebie­tes oder Schwer­punk­tes ver­traut machen kön­nen. Sie sieht aber auch eine Zulas­sung für meh­re­re Ein­rich­tun­gen gemein­sam vor, falls die­se die­se Anfor­de­rung nur zusam­men erfül­len kön­nen. (s.WBO NDS, §7)

(2) Eine Lösung könn­te nach Auf­fas­sung des För­der­ver­eins so aus­se­hen, daß meh­re­re kom­mu­na­le Trä­ger  — das müß­te nicht auf Emden und den LK Aurich beschränkt blei­ben — anstel­le der jet­zi­gen  Trä­ger­ge­sell­schaft ein gemein­sa­mes Unter­neh­men mit meh­re­ren Stand­or­ten grün­den. So wür­de ein Kli­ni­kum mit drei (oder mehr) Stand­or­ten und ent­spre­chen­den Schwer­punk­ten ent­ste­hen. Genau so wird es  auch in ande­ren Kli­nik­ver­bün­den  in Deutsch­land erfolg­reich praktiziert. 

(3) Die Pro­ble­ma­tik  erheb­lich unzu­rei­chen­der Erstat­tung für Leis­tun­gen, die die Kli­ni­ken erbrin­gen,  betrifft bekannt­lich gera­de sol­che Berei­che, auf die es in klei­ne­ren und länd­li­chen Ein­hei­ten aus Sicht der Ver­sor­gung der Pati­en­ten beson­ders ankommt — Gebur­ten­sta­tio­nen, Not­fall­am­bu­lan­zen..  Sie stellt somit den wesent­li­chen wirt­schaft­li­chen Beweg­grund für die Kli­ni­ken dar, sich im Rah­men der Neu­or­ga­ni­sa­ti­on der  Not­fall­ver­sor­gung von Pati­en­ten zu “ent­las­ten”.

(4) “Ärz­te bekla­gen die betriebs­wirt­schaft­li­chen Vor­ga­ben der Geschäfts­füh­rer, Geschäfts­füh­rer wie­der­um kri­ti­sie­ren die gesund­heits­po­li­tisch beding­ten Rah­men­be­din­gun­gen der Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rung und die Gesund­heits­po­li­tik ver­weist auf unan­ge­mes­se­ne Mit­tel­ver­wen­dung in den Kran­ken­häu­sern. Der Feh­ler liegt nicht im Inhalt der jewei­li­gen Kri­tik — die­se ist oft durch­aus berech­tigt — son­dern dar­in, daß die Akteu­re sie nut­zen, um sich selbst der Ver­ant­wor­tung zu ent­zie­hen. So blei­ben im Ergeb­nis rele­van­te Hand­lungs­spiel­räu­me auf den ver­schie­de­nen Ebe­nen der Ver­sor­gung unge­nutzt — mit ent­spre­chend nega­ti­ven Fol­gen für die Pati­en­ten und das Gesund­heits­per­so­nal” (G. Marck­mann, Geleit­wort zur Stu­die ” Medi­zin zwi­schen Pati­en­ten­wohl und Öko­no­mi­sie­rung”, Wehkamp/Naegler 2018)

 

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