Neue G‑BA-Regelung zur stationären Notfallversorgung

Der G‑BA —  das ober­ste Beschlussgremi­um der gemein­samen Selb­stver­wal­tung der Ärzte, Zah­närzte, Psy­chother­a­peuten, Kranken­häuser und Krankenkassen in Deutsch­land- hat am im April 2018 für die sta­tionäre Not­fal­lver­sorgung  ein gestuftes Sys­tem beschlossen, das die Voraus­set­zun­gen für die Teil­nahme  aller deutschen  Kranken­häuser  an der Not­fal­lver­sorgung  sowie die Vergü­tung  ihrer Not­fal­lver­sorgungsleis­tun­gen in wesentlichen Zügen neu regelt.

Diese Regelun­gen sind seit dem 19.05.2018 in Kraft getreten und haben auch für unsere Kliniken erhe­bliche Auswirkun­gen. Aus diesem Grund stellen wir im Fol­gen­den die Anforderun­gen detail­liert dar – ins­beson­dere, soweit sie für Nor­den rel­e­vant sind  (Die im kur­siv gedruck­te Textpas­sagen geben detail­lierte Vor­gabe des G‑BA-beschlusses direkt wieder)

 

Worum geht es ? 

 

§1  Der Gemein­same Bun­de­sauss­chuss (G‑BA) beschließt (…) ein gestuftes Sys­tem von Not­fall­struk­turen in Kranken­häusern, ein­schließlich ein­er Stufe für die Nicht­teil­nahme an der Not­fal­lver­sorgung. In Abhängigkeit der als Min­destvo­raus­set­zun­gen für dif­feren­zierte Stufen fest­gelegten struk­turellen Voraus­set­zun­gen erhal­ten Kranken­häuser der Höhe nach gestaffelte Zuschläge für ihre Beteili­gung an der Not­fal­lver­sorgung. Bei ein­er Nicht-Beteili­gung an der Not­fal­lver­sorgung sind verbindliche Abschläge zu erheben“.  (Beschluß des G‑BA vom 19.04.2018)

 

Für die Leis­tun­gen und Struk­turen, die Kranken­häuser zukün­ftig erbrin­gen müssen, wenn sie an der Not­fal­lver­sorgung teil­nehmen, wur­den die drei Stufen „Basis­not­fal­lver­sorgung“, „erweit­erte Not­fal­lver­sorgung“ , „umfassende Not­fal­lver­sorgung“ definiert.  Für jede Stufe wur­den jew­eils Anforderun­gen  an die Not­fall­struk­turen  in Kranken­häusern definiert. Nur soweit ein Haus diese Anforderun­gen erfüllt, bekommt es zukün­ftig  für seine  erbracht­en Not­fall- Leis­tun­gen Vergü­tungszuschläge.  Abschläge sind vorge­se­hen für die Häuser, die an der Not­fal­lver­sorgung nicht teil­nehmen. Es wird erwartet, daß von den (Stand 04/2018)  1.748 all­ge­meinen Kranken­häusern nach der neuen Regelung 1.120, also etwa 64 Prozent, Zuschläge erhal­ten wer­den. Es wird mit der Anwen­dung der Regelung also zu ein­er Ver­ringerung der Stan­dorte kom­men, an denen bish­er noch eine sta­tionäre Not­fal­lver­sorgung vorge­hal­ten wurde. Der  G‑BA weist darauf hin, daß auf die rund  36 Prozent  (bzw.  über 600 Kranken­häuser), die nun aus der Not­fal­lver­sorgung her­aus­fall­en und keine Zuschläge mehr erhal­ten, lediglich ca. 5 Prozent der im let­zten Jahr behan­del­ten Not­fälle ent­fall­en seien.

Nach welchen Kriterien/Kategorien  wur­den die Stufen fest­gelegt ? 

§5  Das Stufen­mod­ell zur sta­tionären Ver­sorgung von Not­fällen legt gemäß den Anforderun­gen nach § 136c Absatz 4 SGB V für jede Stufe spez­i­fis­che Vor­gaben zu den fol­gen­den Kat­e­gorien fest: 

 

  1. Art und Anzahl von Fachabteilungen, 
  2. Anzahl und Qual­i­fika­tion des vorzuhal­tenden Fachpersonals, 
  3. Kapaz­ität zur Ver­sorgung von Intensivpatienten, 
  4. Medi­zinisch-tech­nis­che Ausstattung, 
  5. Struk­turen und Prozesse der Not­fal­lauf­nahme.“ (ebd)

Neben diesen gestuften Kat­e­gorien wur­den die fol­gen­den  all­ge­meine Anforderun­gen fest­gelegt, die für alle Stufen verbindlich sind :

 

§6 (1) Die Vor­gaben zu den Kat­e­gorien (..) sind von den Kranken­häusern zu jed­er Zeit (24 Stun­den an 7 Tagen pro Woche) am Stan­dort zu erfüllen, um der jew­eili­gen Stufe der Not­fal­lver­sorgung zuge­ord­net zu werden. …

(2) Die Not­fal­lver­sorgung der Not­fall­pa­tien­ten find­et .. ganz über­wiegend in ein­er Zen­tralen Notauf­nahme (ZNA, die immer am Kranken­haus­stan­dort vorzuhal­ten ist,  statt.

Die ZNA ist eine räum­lich abge­gren­zte, fachüber­greifende Ein­heit mit eigen­ständi­ger fach­lich unab­hängiger Leitung. Der Zugang zur Zen­tralen Notauf­nahme ist grund­sät­zlich barrierefrei. 

(3) Kranken­häuser, die an ein­er Stufe des Sys­tems von Not­fall­struk­turen (…)  teil­nehmen, sollen zur Ver­sorgung von ambu­lanten Not­fällen eine Koop­er­a­tionsvere­in­barung gemäß § 75 Absatz 1b Satz 2 SGB V mit den zuständi­gen Kassenärztlichen Vere­ini­gun­gen schließen.“(ebd)

 

Was muß ein KH zukün­ftig  haben, damit es an der Basis­not­fal­lver­sorgung teil­nehmen kann ? 

Fach­abteilun­gen Chirurgie und Innere am Stan­dort zwingend : 

Die neue Regelung sieht vor, dass ein Kranken­haus für die Zuord­nung in die Basis­not­fal­lver­sorgung (Stufe 1) min­destens über die Fach­abteilun­gen Chirurgie/Unfallchirurgie sowie Innere Medi­zin am Stan­dort ver­fü­gen muss. Die Auf­nahme von Not­fällen erfol­gt ganz über­wiegend in ein­er Zen­tralen Notauf­nahme. Hier wird auf der Grund­lage eines struk­turi­erten Sys­tems über die Pri­or­ität der Behand­lung entsch­ieden und der Not­fall­pa­tient spätestens 10 Minuten nach der Auf­nahme dazu informiert. Darüber hin­aus muss gewährleis­tet sein, dass die entsprechende Betreu­ung durch einen Facharzt – bei Bedarf auch durch einen Anäs­the­sisten – inner­halb von max­i­mal 30 Minuten am Patien­ten ver­füg­bar ist. Für eine möglicher­weise angezeigte Inten­siv­be­treu­ung muss eine Inten­sivs­ta­tion mit der Kapaz­ität von min­destens sechs Bet­ten vorhan­den sein“ (ebd)

Anforderun­gen an Qual­i­fika­tion des Fach­per­son­als und Organ­i­sa­tion der Notaufnahme 

1. Es sind jew­eils ein für die Not­fal­lver­sorgung ver­ant­wortlich­er Arzt und eine Pflegekraft benan­nt, die fach­lich, räum­lich und organ­isatorisch ein­deutig der Ver­sorgung von Not­fällen zuge­ord­net sind und im Bedarfs­fall in der Zen­tralen Notauf­nahme ver­füg­bar sind.

2.Der unter Num­mer 1 genan­nte Arzt ver­fügt über die Zusatzweit­er­bil­dung „Klin­is­che Not­fall- und Akutmedi­zin“ und die unter Num­mer 1 genan­nte Pflegekraft ver­fügt über die Zusatzqual­i­fika­tion „Not­fallpflege“, sobald die jew­eili­gen Qual­i­fika­tio­nen in die-sem Land ver­füg­bar sind. 

3..Es ist jew­eils ein Facharzt im Bere­ich Innere Medi­zin, Chirurgie und Anäs­the­sie inner­halb von max­i­mal 30 Minuten am Patien­ten verfügbar. 

4. Das unter den Num­mern 1 bis 3 genan­nte Per­son­al nimmt regelmäßig an fach­spez­i­fis­chen Fort­bil­dun­gen für Not­fallmedi­zin teil“ (ebd)

Vor­gaben für die Betreu­ung  von Intensivpatienten :

Kranken­häuser der Basis­not­fal­lver­sorgung hal­ten eine Inten­sivs­ta­tion mit min­destens sechs Bet­ten vor, von denen min­destens drei zur Ver­sorgung beat­meter Patien­ten aus­ges­tat­tet sind. „(ebd)

Medi­zinisch-tech­nis­che Ausstat­tung , KH-Infrastrktur:

 „Durch­führung von Diag­nos­tik und Ther­a­pie nach aktuellem medi­zinis­chem Stan­dard erforder­liche medi­zinisch-tech­nis­che Ausstat­tung. Ins­beson­dere Vorhal­tung eines Schock­raums und ein­er  24-stündig ver­füg­bare com­put­er­to­mo­graphis­che Bildge­bung Es beste­ht die Möglichkeit der Weit­er­ver­legung eines Not­fall­pa­tien­ten von dem Kranken­haus der Basis­not­fal­lver­sorgung in ein Kranken­haus ein­er höheren Not­fall­stufe auch auf dem Luftwege, ggf. unter Nutzung eines bodenge­bun­de­nen Zwischentransports.”(ebd)

 

Struk­turen und Prozesse der Not­fal­lauf­nahme : Zen­tral, Triagev­er­fahren, Dokumentation :

1. Die Auf­nahme von Not­fällen erfol­gt ganz über­wiegend in ein­er Zen­tralen Notauf­nahme.

2. Es kommt ein struk­turi­ertes und vali­diertes Sys­tem zur Behand­lung­spri­or­isierung bei der Erstauf­nahme von Not­fall­pa­tien­ten zur Anwen­dung. Alle Not­fall­pa­tien­ten des Kranken­haus­es erhal­ten spätestens zehn Minuten nach Ein­tr­e­f­fen in der Notauf­nahme eine Ein­schätzung der Behandlungspriorität. 

3. Die Patien­ten­ver­sorgung wird aus­sagekräftig doku­men­tiert und ori­en­tiert sich an Min­i­mal­stan­dards. Diese Doku­men­ta­tion liegt spätestens bei der Ent­las­sung oder Ver­legung des Patien­ten vor“(ebd)

 

Ein­schätzung / Bewertung : 

Für die gesamte sta­tionäre Not­fal­lver­sorgung, ins­beson­dere aber für kleinere Kliniken in ländlichen Gebi­eten wer­den mit diesen Vor­gaben sehr hohe  Anforderun­gen gestellt, die vielerorts ohne erhe­bliche zusät­zliche finanzielle  Aufwen­dun­gen und Verän­derun­gen nicht umset­zbar sind und let­ztlich nur zu einem Schließen entsprechen­der Ange­bote bzw. ganz­er Häuser  führen kön­nen. Daß etliche der neuen Sol­lvor­gaben im Namen der Qual­ität  und mod­ern­er, leis­tungs­fähiger Medi­zin  gefordert wer­den, sollte nie­man­den  darüber hin­wegtäuschen, daß der G‑BA ganz bewußt sehr weit ent­fer­nt ist von dem, was Real­ität in den betrof­fe­nen Kliniken ist, also : was umzuset­zen sie wirtschaftlich und per­son­ell in der Lage sind.

Dem G‑BA ist bewußt ,  daß er mit solchen Vor­gaben selb­st die wirtschaftlichen Voraus­set­zun­gen ins­beson­dere kleiner­er  Häuser erhe­blich – vielfach exis­ten­ziell  —  erschw­ert – und daß er auf diese Weise eine  flächen­deck­ende Not­fal­lver­sorgung im ländlichen Bere­ich  nicht qual­i­ta­tiv stärkt, son­dern im Gegen­teil  zer­stört. Deut­lich wird dies auch an den geplanten „Kom­pen­sa­tion­s­maß­nah­men“: Für Kranken­häuser, die in „ struk­turschwachen Regio­nen“   bere­its Sich­er­stel­lungszuschlä­gen erhal­ten – und nur für solche! —  gel­ten Ausnahmen:

Um die Ver­sorgung in der Fläche zu gewährleis­ten, hat der G‑BA vorge­se­hen, dass alle Sich­er­stel­lungskranken­häuser – dies sind Kranken­häuser, die für eine flächen­deck­ende Basisver­sorgung unverzicht­bar sind und deshalb zusät­zlich­es Geld erhal­ten – wie Not­fal­lver­sorgungskranken­häuser der Basis­stufe behan­delt wer­den, sofern sie eine internistis­che und chirur­gis­che Abteilung vorhal­ten. Darüber hin­aus wird den Kranken­haus­pla­nungs­be­hör­den der Län­der durch eine Län­deröff­nungsklausel ermöglicht, in Son­der­fällen – zum Beispiel auf­grund regionaler Beson­der­heit­en –  auch Kranken­häuser als Spezialver­sorg­er auszuweisen. Diese gel­ten sodann als beson­dere Ein­rich­tun­gen und nehmen weit­er­hin an der Not­fal­lver­sorgung teil.

Wie der  Sta­tus eines „Sich­er­stel­lungskranken­haus­es “ unter dem mas­siv­en Druck der Ersatzkassen beständig in Frage gestellt wird und jährlich neu  vertei­digt wer­den muß, läßt sich in unser­er Region an den Kliniken auf den Inseln  Borkum und auch  Norder­ney lei­der laufend  beobachten.

An unsere gesund­heit­spoli­tisch Ver­ant­wortlichen in der Region kann man nur appel­lieren, die fol­gen­den deut­lichen Hin­weise der Kranken­hausver­bände ernst zu nehmen  und sich auf Lan­des- und Bun­de­sebene klar  gegen diesen Kurs des Klinikster­ben­lassens  zur Wehr zu setzen.

Die geset­zliche Kranken­ver­sicherung habe ein bun­deszen­trales Konzept entwick­elt, das in Nieder­sach­sen zu einem Auss­chluß  von rund 60 Prozent der Kranken­häuser aus der neu definierten Not­fal­lver­sorgung führen würde“,..  Die Umset­zung würde dazu führen, dass in Nieder­sach­sen ganze Regio­nen weiße Fleck­en in der Not­fal­lver­sorgung aufweisen“ (Nieder­säch­sis­che Kranken­haus­ge­sellschaft vor der Beschlussfas­sung des G‑BA am  12.3.2018)

..(die) DKG appel­liert an die Bun­deslän­der, im Rah­men ihrer Zuständigkeit für die Kranken­haus­pla­nung die teil­weise über­zo­ge­nen Kri­te­rien nicht anzuerken­nen. Ob ein Kranken­haus in der Inten­sivvorhal­tung 4 oder 6 Beat­mungsplätze zur Ver­fü­gung hält, kann kein Auss­chlusskri­teri­um für die Anfahrt des Ret­tungswa­gens mit Patien­ten in Not sein. Es ist real­itäts- und prax­is­fern, festzule­gen, dass ergänzend zu den 24 Stun­den anwe­senden dien­sthaben­den Ärzten zusät­zlich Fachärzte in Ruf­bere­itschaft immer und über­all jed­erzeit bin­nen 30 Minuten am Patien­ten anwe­send sein müssen. Es ist völ­lig inakzept­abel, dass die Berech­ti­gung zur Auf­nahme von Not­fall­pa­tien­ten zur Kranken­haus­be­hand­lung davon abhängig sein soll, ob eine Kassenärztliche Vere­ini­gung dem Kranken­haus die Berech­ti­gung zur Behand­lung von ambu­lanten Not­fällen zuge­sprochen hat. Das ambu­lante Not­fall­be­hand­lungsspek­trum (Basismedi­zin) hat mit dem sta­tionären Not­fall­be­hand­lungsspek­trum über­haupt nichts zu tun. Würde das aktuell von der KBV vorgestellte Konzept zur ambu­lanten Not­fall­be­hand­lung Real­ität, hätte mehr als die Hälfte der Kliniken zukün­ftig nicht mehr das Recht, sta­tionäre Not­fälle zu behan­deln. (Deutsche Kranken­haus­ge­sellschaft , 19.04.2018)

 

 

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