Nachlese zur Veranstaltung mit Prof.Wehkamp

Im voll beset­zen großen Saal des Mit­tel­haus­es begrüßte der Fördervere­in als Gas­tre­f­er­enten Prof Karl Wehkamp aus Bre­men, bekan­nt durch aktuelle Berichte in TV und Presse (Stern-Ärzteap­pell „Medi­zin vor Prof­it“) und durch seine Studie „Medi­zin zwis­chen Patien­ten­wohl und Ökonomisierung“. Wehkamp, der lange Zeit Vor­standsmit­glied der Akademie für Ethik in der Medi­zin war hat als Berater   Kranken­häuser und Klinikver­bünde in ganz Deutsch­land von innen kennengelernt.

Einige Monate nach der erneuten Bestä­ti­gung der Beschlüsse zur Zen­tralk­linik in Georgsheil,  so erin­nerte ein­lei­t­end der Fördervere­in, seien ent­ge­gen vie­len Ankündi­gun­gen und Beteuerun­gen der Trägerge­sellschaft weit­er Still­stand und exis­ten­zielle Einsparun­gen zu beobacht­en. Norder Poli­tik­ern, die deshalb vor einem knap­pen Jahr  Stel­lung zur aktuellen Kliniksi­t­u­a­tion  genom­men hat­ten, war vor einem Jahr sog­ar ein Auf­s­tock­en bzw. Aus­bau von Leis­tun­gen in Nor­den in Aus­sicht gestellt wor­den — passiert ist nichts.  Diese Entwick­lung ist nicht nur schlecht für die aktuelle und zukün­ftige Leis­tungs­fähigkeit der Kliniken ( die Lösung “Zen­tralk­linik Georgsheil” aus­drück­lich ein­be­grif­f­en!) . Sie wirkt sich auch weit­er­hin belas­tend auf das gesamte fach- und all­ge­meinärztlichen Umfeld aus.

Bei ein­er Fort­set­zung dieses Kurs­es (bis zur Fer­tig­stel­lung der Zen­tralk­linik) sei abse­hbar, dass weit­ere fach­lich her­vor­ra­gende und von den Patien­ten gut angenom­men Leis­tun­gen ver­loren gehen, wom­öglich für immer. Das ist Folge des Man­age­ments der Trägerge­sellschaft und nicht allein mit erschw­erten Rah­menbe­din­gun­gen wie dem Per­sonal­man­gel oder der Gesund­heit­spoli­tik in Bund und auf Lan­desebene zu entschuldigen.

Bun­desweit ist mit­tler­weile unstrit­tig, dass bei anste­hen­den Mod­ernisierun­gen und Zen­tral­isierun­gen von Kliniken dif­feren­ziert vorge­gan­gen wer­den muss. Die Lösun­gen müssen auf Region, Lage und Umfeld und auf die vor Ort vorhan­de­nen medi­zinis­che Infra­struk­tur zugeschnit­ten sein. Anders ist eine gute, flächen­deck­ende Ver­sorgung der Patien­ten nicht zu gewährleisten.

Dafür brauche es allerd­ings die Fes­tle­gung klar­er gesund­heit­spoli­tis­ch­er Zielvor­gaben durch die Poli­tik vor Ort – und ihr Ein­treten dafür auf Lan­des- und Bun­de­sebene — das fordert der Fördervere­in von ihnen! Dazu sollte mit dieser Ver­anstal­tung ein Denkanstoß gegeben wer­den. Poli­tik müsse sich fra­gen : Wie kann eine aktive Sich­er­stel­lung der Daseinsvor­sorge ausse­hen? Wie gehen ander­norts kom­mu­nale Träger mit ähn­lichen Sit­u­a­tio­nen um?   Gibt es Strate­gien zur Bün­delung von medi­zinis­chen Ange­boten, die sich der Sicherung und Mod­ernisierung beste­hen­der wohnort­na­her Ange­bote in ein­er Rand- und Flächen­re­gion verpflicht­en? Wie kann man das anbi­eten und damit wirtschaftlich erfol­gre­ich sein?

Dass solche Über­legun­gen bei der Beschlus­slage zum Bau ein­er Zen­tralk­linik in Georgsheil eine gebührende Rolle gespielt haben, stellte Prof Wehkamp in Zweifel. Was immer der Motor der so gefassten Zen­tral­isierung sei – wed­er aus gesund­heit­spoli­tis­ch­er, noch aus medi­zinis­ch­er noch aus kom­mu­nal­wirtschaftlich­er Sicht mache es Sinn, die Klinik­stan­dorte an drei Mit­telzen­tren preiszugeben. Stattdessen werde die gesamte Medi­zinis­che Ver­sorgung für eine Flächen­re­gion an einem Ort ganz neu aufge­baut, der wed­er über die Infra­struk­tur noch über die Ein­wohn­erzahlen der Mit­telzen­tren ver­fügt. Wenn es heißt, (nur) mit ein­er solchen Lösung sei der all­ge­gen­wär­tige Per­sonal­man­gel zu beheben, so sei dies Wun­schdenken: „Per­sonal­man­gel ist nicht die Ursache der aktuellen Prob­leme, son­dern Folge schlecht­en Managements“.

Beispiel­haft skizzierte Wehkamp zu Beginn sein­er Aus­führun­gen Mod­elle aus Bay­ern, in denen man erfol­gre­ich einen anderen Weg gegan­gen ist. Kliniken im Ver­bund (teil­weise auch mit ambu­lanten Ein­rich­tun­gen wie Medi­zinis­chen Ver­sorgungszen­tren, Arzt­prax­en gemein­sam) arbeit­en wirtschaftlich erfol­gre­ich und  sie stellen ein hochw­er­tiges wohnort­na­h­es Ange­bot sicher.

Im vorgestell­ten Donau-Isar-Klinikum ist man eben­falls diesen Weg gegan­gen. Es han­delt sich um ein Unternehmen in öffentlich­er Träger­schaft der benach­barten Land­kreise Deggen­dorf und Dingolfing/Landau. Mit seinen drei Kranken­häusern (in Summe knapp über 700 Bet­ten bei rund 34.000 voll­sta­tionären und 90.000 ambu­lanten Fällen laut G‑BA Q‑Bericht 2017) ver­sorgt es in Summe ca. 213.000 Ein­wohn­er der bei­den Kreise. Die drei Stan­dorte sind: Deggen­dorf mit 37.000, Din­golf­ing mit 19.145 und Lan­dau mit 12.741 Ein­wohn­ern (Quelle :Wikipedia) Bei der Zusam­me­nar­beit der drei Kliniken im Ver­bund wurde/wird dem Gesicht­spunkt ein­er möglich bre­it aufgestell­ten, qual­i­ta­tiv hochw­er­ti­gen wohnort­na­hen Ver­sorgung Rech­nung getra­gen. Mit 13 Fach­abteilun­gen ist Deggen­dorf ein Kranken­haus der Schw­er­punk­tver­sorgung, die bei­den kleineren Häuser sind Grund- und Regelver­sorg­er mit jew­eils 7 Fach­abteilun­gen. Details : siehe Folien­satz Donau Isar Kliniken  sowie auf der  Home­page der Kliniken 

Die Aus­prä­gung der Zen­tral­isierung fol­gt hier der medi­zinis­chen Auf­gabe: Streng zen­tral­isiert wur­den admin­is­tra­tive Bere­iche wie Ver­wal­tung, Beschaf­fung usw., und auch das Per­son­al­we­sen. Hin­sichtlich der medi­zinis­chen Leis­tun­gen gibt es – entsprechend dem Ver­sorgungs­be­darf  an den Stan­dorten — bewusst auch einzelne Ange­bote mehrfach. Anson­sten sind Zen­tren mit hohem Spezial­isierungs­grad auf die Stan­dorte verteilt. Hin­sichtlich des Ein­sat­zortes sind mit den Mitar­beit­ern flex­i­ble Regelun­gen vere­in­bart, sodass bei stan­dortüber­greifend­emVer­sorgungs­be­darf, aber auch im Fall von Eng­pässen die Medi­zin dem Patien­ten folgt.

In Summe wurde seit 2012 ein beein­druck­end bre­ites Leis­tungsange­bot geschaf­fen, einzelne Abteilun­gen erre­ichen sog­ar den Max­i­malver­sorgungs­grad.  Mit diesem Leis­tungsspek­trum hat sich der Ver­bund nach Grün­dung 2012 wirtschaftlich sehr gut entwick­elt,  die Donau-Isar-Kliniken haben sich auch in medi­zinis­chen Fachkreisen und als poten­tieller Arbeit­ge­ber einen sehr guten Namen erar­beit­et. Nach ein­er Phase der Um /Neustrukturierung ab 2012 erre­ichte der Ver­bund zeitweise in allen drei Häusern schwarze Zahlen.

Nach­trag des Fördervere­ins : Die aktuellen Ergeb­nisse 2017/2018 (sie sind noch nicht auf dem anhän­gen­den Folien­satz aus­gewiesen) weisen wieder Defizite, vor­wiegend bei den bei­den kleineren Häusern aus, die in Summe vom Ver­bund getra­gen wer­den.  Hin­ter­grund für das Gesamt­de­fiz­it von 3,6 Mio. in 2017 bzw. 6,3 Mio in 2018 sind geset­zliche Neuregelun­gen der Kranken­haus­fi­nanzierung, die sich ins­beson­dere für die Erlös­lage klein­er ländlich­er Häuser mit stark spezial­isierten, men­gen­ab­hängi­gen Leis­tun­gen ungün­stig auswirken. Das beste­hende Ver­bund­mod­ell an den drei Stan­dorten wird jedoch wed­er von den Trägern noch vom Klinikman­age­ment in Frage gestellt, man baut Schw­er­punk­te weit­er aus bzw. neue auf.  Hier ist  die Bun­de­spoli­tik am Zug, die im Sinne der Sich­er­stel­lung gle­ich­w­er­tiger Lebensver­hält­nisse dafür zu sor­gen hat, daß die flächen­deck­ende Ver­sorgung nicht durch die Kri­te­rien für die   Kranken­haus­fi­nanzierung unter­laufen wird — so wie es ger­ade passiert.

In der anschließen­den Diskus­sion­srunde, an der neben Kreistags- und Ratsmit­gliedern aus Nor­den und Emden auch der desig­nierte Lan­drat Olaf Meinen teil­nahm, gab es – wenig über­raschend — viele kri­tis­che Stim­men zum beschlosse­nen Pro­jekt „Zen­tralk­linik Georgsheil“. Etliche der anwe­senden Bürg­er äußerten sich ent­täuscht und unzufrieden mit dem Stand der Gesund­heit­spoli­tik vor Ort und sahen sich durch die jüng­sten Entwick­lun­gen in Emden in ihrem Mis­strauen gegenüber der Trägerge­sellschaft und ihren poli­tis­chen Auf­tragge­bern bestätigt. Der Ein­druck, man werde als Ran­dre­gion bzw. als  Mit­telzen­trum Nor­den / Emden / Aurich  schle­ichend abge­hängt und die in den Bürg­er­entschei­den propagierte „gold­ene Zukun­ft“ sei nicht mehr als teure Reklame ohne Sub­stanz, dominierte in der Teil­nehmer­runde an diesem Abend. Auch die Trans­parenz der poli­tis­chen Entschei­dun­gen wurde ein­mal mehr bemän­gelt. Selb­st einige der anwe­senden Man­dat­sträger sehen sich rund um das The­ma „Pla­nung der Zen­tralk­linik“ bis heute nicht angemessen informiert. Der schei­dende Lan­drat, wie auch sein schei­den­der OB-Kol­lege in Emden, so hieß es von Seit­en engagiert­er Bürg­er, sei vie­len Fra­gen der Bürg­er aus­gewichen und habe immer wieder öffentlich gestellte Nach­fra­gen unbeant­wortet gelassen und ausgesessen.

Zur Frage „Was tun?“ angesichts der aktuellen Lage gab es eine Rei­he von State­ments. Sich darauf zu beschränken, die weit­ere Entwick­lung ver­trauensvoll abzuwarten, reicht der Mehrzahl der Teil­nehmer offenkundig nicht aus. Die Erwartung von mehr Trans­parenz, mehr Infor­ma­tion und Kom­mu­nika­tion, speziell an die neu gewählten Spitzen der Ver­wal­tung, ist hoch. Bei der Vorstel­lung des Szenar­ios aus Bay­ern erin­nerte Prof Wehkamp daran, dass die Lan­dräte bis nach Berlin gefahren seien, um ihr Mod­ell zu sich­ern. Über­tra­gen auf die Lage vor Ort, und aus Sicht des Fördervere­ins for­muliert: Die Poli­tik muss sich daran messen lassen, was sie zur Sicherung der sta­tionären Ver­sorgung greif­bares umset­zt. Deshalb sollte sie in der Klinikfrage erkennbar mehr Kon­trolle gegenüber ihrem Dien­stleis­ter wahrnehmen. Wenn – wie geschehen — über Jahre keine Investi­tio­nen in die Säulen der Gesund­heitsver­sorgung getätigt wer­den, dann stimmt etwas nicht. Auch (und ganz beson­ders) in der jet­zi­gen Phase muss streng darauf geachtet wer­den, daß auch im laufend­en Betrieb ein hochw­er­tiges medi­zinis­ches Ange­bot sichergestellt wird und bleibt. Auch dafür sind klare Konzepte bis­lang nicht erkennbar. Die Bürg­er wer­den wach­sam sein und wenn nötig Kor­rek­turen öffentlich ein­fordern —  dafür ste­ht nicht zulet­zt auch der Fördervere­in ein.

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