Am 19.05. nahmen in einer Pressekonferenz zwei Chefärzte der Trägergesellschaft Kliniken Aurich-Emden-Norden, Dr. Dinse-Lambracht und Dr. Paxian, zu Protesten und Forderungen gegen die vorzeitige Schliessung der Norder UEK Stellung. Den dort getroffenen Aussagen und Einschätzungen widerspricht der Förderverein eindringlich.
Gegen die vorzeitige Schließung der Norder UEK regt sich erheblicher Widerstand: nicht nur in und um Norden, sondern auch in Emden und Aurich sind Bürger in Sorge um ihre Grund- und Notfallversorgung. Das Aktionsbündnis für den Erhalt des Norder Krankenhauses fordert vom Träger und der Trägergesellschaft den immer wieder zugesagten Klinikbetrieb auf dem Stand eines Krankenhauses der Grundversorgung, solange es die geplante Zentralklinik in Uthwerdum nicht gibt. Ab Sommer können nun 51.500 Einwohner:innen die Notaufnahme der nächsten Klinik nicht mehr rechtzeitig, binnen 30 Minuten, erreichen – die höchste Zahl Betroffener bei Klinikschließungen in Deutschland (1).
Auf die ohnehin schon extrem angespannte Notfallversorgung für die gesamte Region würde sich das zusätzliche Verschwinden einer Grundversorgungsklinik als Flaschenhals mit lebensgefährlichen Folgen auswirken.
Die für diesen gesundheitspolitischen Scherbenhaufen verantwortlichen Mitglieder des Aufsichtsrats aus den Kreistagsparteien und ihr Geschäftsführer hüllen sich angesichts des Protests in Schweigen. Stattdessen schicken sie Ärzte in die Öffentlichkeit, die mit ihren beschönigenden und verharmlosenden Äußerungen den Sorgen eher weitere Nahrung geben.
Aussage 1 : „Wir können das KH nicht weiter betreiben, selbst wenn wir wollten /müssten“
Die beiden Ärzte geben den bundesweiten Fachärztemangel als Grund für die unabweisbare sofortige Schließung des Norder Krankenhauses an: „Der Ärztemangel diktiert den Weg“.
Eine alberne Schutzbehauptung: Seit wann wird der Betrieb von politisch gewollten Krankenhäusern bzw. deren Abteilungen dauerhaft eingestellt, wenn es Probleme gibt, auf dem Arbeitsmarkt Personal für die Stellenbesetzung zu finden? Ein Personalmanager, der mit einem solchen Ohnmachtseingeständnis vor seine Geschäftsführung träte, müßte zurecht um seinen Job fürchten. Andererseits ist auch klar: Der umtriebigste Personalverantwortliche kann nur soweit erfolgreich sein, wie die Angebote seines Hauses attraktiv für Bewerber sind. Arztstellenbewerber fragen nach konkreten Arbeitsbedingungen: Entwicklungsperspektiven, möglichen Weiterbildungsangeboten in der Klinik, Qualität der Aufgaben und Arbeitsbelastung, Team, Kultur im Unternehmen, Gehalt und darüber hinaus etlichen Rahmenbedingungen im Umfeld. Es obliegt der Führung der Klinik, sich mit entsprechenden Leistungen attraktiv als Arbeitgeber zu machen. Die Trägergesellschaft sorgt aber seit Jahren weder für attraktive Arbeitsbedingungen noch für die langfristige Sicherstellung eines Stamms festangestellter Mitarbeiter in Norden. Unfreiwillig bestätigt Dr. Paxian dies, wenn er schildert, daß die UEK wegen bevorstehenden Renteneintritts(!) zwei Ärzte verlieren werde und wegen fehlender Kinderbetreuung (!!) zwei weitere „hoch qualifizierte“ Fachärzte ziehen lasse. Ohne die längst gefasste Schließungsperspektive im Hintergrund ist ein solches Vorgehen nicht erklärbar!
Aussage 2 : „Wir können die erforderliche Qualität nicht aufrechterhalten“ — „Wenn die Notfallversorgung so wie jetzt in Norden aufrechterhalten würde, könnte das nur zulasten der Leistungen der UEK in Aurich gehen“
Für die Vergütung von Klinikleistungen gelten bekanntlich bundesweit gültige Fallpauschalen. Über ein ständig weiter ausgefeiltes Regelwerk wacht der G‑BA mit Richtlinien und Vorgaben über die Einhaltung von Qualitätsstandards, die Krankenhäuser in einem umfassenden Berichtswesen regelmäßig dokumentieren müssen und von denen die Höhe ihrer Erlöserstattungen durch die Kassen abhängt. So gibt es bei der klinischen Notfallversorgung drei Stufen, in denen die Ausstattung und personelle Qualifikation der Abteilung vorgegeben sind. Werden diese Vorgaben mißachtet, dann darf ein Krankenhaus diese Leistung auf Dauer nicht anbieten. Mit der von den beiden Ärzten bestätigen Reduktion der Intensivbetten (von 6 auf 4) unterschreitet die Norder UEK bereits die Mindestvorgabe für die Elementarstufe der Notfallversorgung, an der das Haus bisher noch teilnimmt. Die Entscheidung, die Notfallversorgung unter Inkaufnahme der genannten Folgen ganz aufzugeben und stattdessen mit den hier abgezogenen Pflegekräften die personell deutlich besser aufgestellte Intensivstation in Aurich zu erweitern, ist nichts anderes als eine rein wirtschaftlich begründete Konzentrationsmaßnahme der Trägergesellschaft. Wollte man ernsthaft die Intensivstationen an beiden Standorten für die kommenden Jahre sichern, so würde man nicht Personal hin und her schieben, sondern langfristig neu gewinnen. Nur weil die hausgemachten Personalengpässe lediglich für einen kurzen Zeitraum überbrückt werden sollen, greift das Management ja auf die teuer bezahlten Freiberufler zurück. Diese will man ja nicht dauerhaft in die Arbeitsabläufe einbinden, obendrein müssen sie noch als Sündenböcke herhalten: „zu teuer und auch noch schlecht qualifiziert“.
Aussage 3 : Ein RGZ mit einer ambulante Notfallversorgung (RGZ-Praxis 8–18h) reicht in Norden völlig aus, der Rettungsdienst sorgt schon für eine angemessene Versorgung ernster Notfälle
Diese Aussage ist insofern dreist, als sie den Bedarf nach stationärer Versorgung in Norden damit leugnet, daß man ihm in der Praxis ohnehin längst nicht mehr gerecht werde. Wenn aber der Klinikbetrieb und speziell die Notfallversorgung nur noch mittels aus Patientensicht lebensgefährlicher „Umgehungslösungen“ wie RTW-Transporte in weit entfernte Krankenhäuser aufrecht erhalten wird, dann handelt es sich nicht um einen Sachzwang zur Schließung, sondern um ein gravierendes Managementversagen, dem dringend gegengesteuert werden muß. Ziel muss es dabei sein, die stationäre Versorgung in Norden auf einem Mindestlevel zu stabilisieren, solange keine Ersatzlösung verfügbar ist.
70–75% der Notfallpatienten in Norden werden nicht im Krankenhaus behandelt. Diese Zahl soll belegen, daß man statt der Klinik auch gut mit einer „RGZ“-Arztpraxis hinkäme. Leider erklären die Ärzte nicht, wie diese Zahl zustande kommt: Sie spiegelt erstens den sträflichen Abbau von klinischen Leistungen in Norden, der für eine Weiterversorgung je nach Art der Notfälle benötigt wird. Norden ist ein ausgeblutetes Krankenhaus! Ausgerechnet mit diesen in den letzten Jahren geschaffenen „Fakten“ wird nun auch noch der stationären Erstversorgung von Notfällen die Existenzberechtigung abgesprochen! Zum zweiten propagieren die Ärzte die in vielen Studien (2) widerlegte Legende, es gebe (nicht nur in Norden) eine bedeutende Anzahl von Notfallpatienten, die eigentlich gar keine stationäre Behandlung bräuchten, sondern bei Allgemein- und Fachärzten an der richtigen Adresse wären.
Für die skizzierte „Zukunftslösung“ wird dem Rettungsdienst eine Aufgabe angedichtet, die er nicht hat und zu deren Lösung er auch gar nicht in der Lage wäre: Für die Versorgung von Notfallpatienten ist es zwar sehr hilfreich, wenn RTW mit guter Technik und moderner Diagnostik ausgestattet sind, sogar Befunde und diagnostische Informationen elektronisch ans Krankenhaus geben können. Auch, daß sie über das System Ivena digital disponieren können, also vorab Informationen besitzen, welche Kliniken welche Art von Notfällen aufnehmen (und welche sich abgemeldet haben). „Rollende Intensivstationen“, wie es gern behauptet wird, sind sie damit aber nicht: die tatsächliche, praktische Versorgung der Notfälle, jede Art von sterilem Eingriff kann nur ein Krankenhaus vornehmen. Hier muss man Ärzten und Verantwortlichen, die gern vor dem „Schüren von Ängsten“ warnen, den Vorwurf macht, daß sie es sind, die unrealistische Erwartungen schüren. Die von den beiden Ärzten vorgestellte Priorisierung von Notfällen (schwer-mittel-leicht) und die entsprechende Verteilung auf Kliniken in Aurich und Emden sowie die vorgesehene Ambulanz in Norden (für „leichte Notfälle“) löst das Problem der Erreichbarkeit nicht. So sinnvoll und richtig es ist, einen zweifelsfrei als Schlaganfallpatienten erkannten Menschen direkt zur die Emder stroke unit zu bringen, auch wenn das von Dornum länger als 30 min dauert, so wenig löst diese Prozedur das Problem, einen unklaren schweren Notfall zeitnah zur Behandlung in ein mit Intensivkapazitäten ausgestattetes Notfallkrankenhaus zu bringen. Tritt das in Zukunft in Norden oder Norddeich ein, so kann das infrage kommende Krankenhaus eben nicht mehr in wenigen Minuten, sondern deutlich über der vorgegebenen Grenze von 30 min erreicht werden.
Die Grund- und Notfallversorgung der Menschen in Norden darf nicht verschlechtert werden! Die Sicherstellung der Krankenhausstrukturen in Norden statt eines RGZ ist unverzichtbar ! Der Förderverein ruft alle Klinikmitarbeiter und Bürger zur Unterstützung des Aktionsbündnisses und zur Teilnahme an der Demonstration am 03.06.2023 in Norden auf.
(1) Worum geht es bei dieser 30 Minuten-Vorgabe ? Mit Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G‑BA) zu den Regelungen für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen vom 24.11.2016 (zuletzt geändert am 01.10.2020) wurde erstmals eine bundeseinheitliche Orientierung für die Erreichbarkeit von Grundversorgern Für rund 51.000 Menschen rund um Norden würde sie aufgegeben.
(2) Siehe zb Studie der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
Juchhuuu, was könnte uns besseres passieren, als dieses Interview!
Für mich ist das ein öffentlicher Hinweis auf die langfristig angelegte Strategie, die Norder Klinik abzuwickeln. Stück für Stück wurde abgezogen, verlagert und Personal verlagert. Und , rette sich wer kann, Personal unter Druck gesetzt, um dann die Flucht zu sichereren Arbeitgebern anzutreten.
Wenn die meinen, das dass Krankenhaus geschlossen werden sollte, käme da nicht eine Privatisierung in sicht? So einen Fall gabe es schon mal in Deutschland. Wenn man Ärzte und Pfleger/ innen finden könnte, die sich bereit erklären mit zumachen das man ein Bürger Krankenhaus erarbeiten könnte wäre man ein Schritt weiter! Es nur ein Gedanke den es in Deutschland schon einmal gibt man müsste sich nur schlau machen, was es noch für Möglichkeiten gäbe. Ich würde mich selbst mit aller Kraft einbringen wollen. Die Aussichten auf Finanzierungen wären vom Staat wie beim einer Selbstständigkeit .
Die Zusammenlegung der Krankenhäuser Aurich und Norden sah von langer Hand ein “Totsparen” der Norder UEK vor. So wie man fast alle Ämter abgezogen hat zugunsten Aurichs. Ich fordere den Altkreis Norden zurück, denn die Auricher sind offenbar überfordert mit uns.…es gibt nicht nur eine gewisse Mindestgröße von Verwaltungsstrukturen, sondern auch eine maximale, wo es (gewollt?) undurchsichtig wird.
Es ist bitter festzustellen, dass Norden erst jetzt zu erwachen scheint und den Ernst der Lage erkennt. Ankum läßt grüßen. Ob es etwas bringt, mit Konsequenzen im Hinblick auf die nächsten Wahlen zu wedeln, bin ich mir nicht sicher. Meinen muß jedenfalls fortlaufend einen vor den Bug bekommen!
Letztlich ist meine große Hoffnung, dass die Mittel für die Zentralklinik nicht genehmigt werden und auch der Eigenanteil nicht gestemmt werden kann.
Es geht nicht nur 51000 Einwohner. Es kommen auch im Jahr ca. 2 Millionen Urlauber in die Gegend. Auch die brauchen manchmal ärztliche Behandlung.
Angelika Enders, JA, da haben Sie völlig recht. Und das macht die Misere ja noch schlimmer. Die 51.000 Einwohner ausserhalb der 30-Minuten-Fahrzeit sind allerdings für sich schon ein trauriges “Lowlight”: So etwas gibt es nirgendwo sonst in Deutschland ! Man kann also eigentlich allen Zuzugswilligen und Touristen nur dringend raten, entweder gesund zu bleiben oder besser wegzubleiben.Unglaublich, aber wahr.
Ich möchte einen Denkanstoß geben: Mit einem RGZ wird die Versorgung von Patienten sofort und direkt von Fachärzten durchgeführt. Jetzt werden die Patienten als erstes von Assistenten versorgt. Somit ist der qualitative Ansatz in der Versorgung in einem RGZ ein anderer und höher anzusetzen als zurzeit.
Mitarbeiter langfristig zu binden ist bestimmt oberstes Ziel. Immer auf Leasingkräfte/Leiharbeiter zurückzugreifen macht keinen Spaß und führt auch nicht zu einer qualitativ guten Patientenversorgung. Man kann die Notfallversorgung oder auch die Intensivversorgung nur mit ausreichendem (eigenen) Personal aufrechterhalten. Die Leasingkräfte sind bereits die “Notlösung”. Somit ist die Konzentration der Bereiche durchaus sinnig und hat weniger mit Kosteneinsparung zu tun. Es geht eher darum Patienten medizinisch gut versorgen zu können und ist kaum bis gar nicht möglich, wenn in der Notaufnahme kein Facharzt sitzt oder die Intensivstation nur mit 1 oder 2 Personen besetzt ist. Auch möchte ich zu bedenken geben, dass nur die Möglichkeit der stationären Aufnahme die medizinische Versorgung nicht besser macht.
Hallo, Frau Schroth, Vielen Dank für Ihr feedback. Es wäre in der Tat begrüßenswert, wenn den Patienten in der RGZ-Praxis immer ein qualifizierter Facharzt gegenüber tritt. Ist das denn so wirklich zugesagt ? Beim ersten RGZ in Ankum gibt es offiziell Praxen mit Fachärzten für Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie. Gynäkologie ist geplant. Zu den Qualifikationen heißt es dort :” Entsprechende Facharztqualifikationen sind in den Praxen vorhanden”. Eigentlich selbstverständlich, aber so wie es formuliert ist, bedeutet es aber wohl : “aber nicht durchggängig am Patienten im Einsatz”. Insofern sehe ich die genannte Verbesserung real noch nicht, und sie wiegt ja obendrein auch nicht den Unterschied zwischen einem Krankenhaus und einer gut ausgestatteten Arztpraxis auf, die sie hier ganz ausser Acht lassen. Offen ist auch : Wer stellt das Personal für die Praxis, der Träger des RGZ oder die KV? Ist die personelle und finanzielle Ausstattung mit der KV abgestimmt ? Auch da der Blick nach Ankum : Die KV war nicht involviert, es gibt Streit um die Arztsitze — auf Kosten der Patienten. Selbst die KVN hat sich deshalb gegen RGZ stark gemacht! Von den Bürgern ganz zu schweigen. Die bekannte “Notlösung” in der Klinik mit externen Kräften sehen wir als Folgeproblem des (schlecht/bzw. nicht ) gelaufenen Personalmanagements. Wenn Kandidaten für eine Festanstellung keine Perspektive erkennen, kommen sie erst gar nicht. Und wenn vorhandene Bewerber sogar nach Begutachtung aus Aurich wieder fallen lassen wurden, so lag das nachweislich nicht an schlechter Qualifikation. Die Norder Abteilungen waren nicht mehr gewollte Stiefkinder, siehe auch das Thema “Weiterbildungsermächtigung”. Ihrer Aussage, daß man einen Stamm guter Festangestellter braucht, um solche Bereiche wie Intensiv oder Notaufnahme gut betreiben zu können, teile ich voll und ganz. Die aktuell durchgeführte Konzentration der Intensivversorgung in Aurich halte ich hingegen nicht für ein Muß aufgrund fehlender Kräfte.Der Geschäftsführer hat in der Presse deutlich das Vorhandensein von Doppelstrukturen als unwirtschftlich kritisiert und “Bündelung” angekündigt — die passiert ja nun. Er könnte ebenso das Gewicht auf den Erhalt der Strukturen legen,zumindest solange es keine reale Alternative gibt. Ist aber wohl “unwirtschaftlich”?