Vollgas beim Schliessen , Beschwichtigungen und Träume für die Zukunft

Im Kreisauss­chuß für Gesund­heit und Pflege stand am 29.06. ein „Sach­stands­bericht zum geplanten Regionalen Gesund­heit­szen­trum, dem Mod­el­lver­such StatAMed, den geplanten ambu­lanten Oper­a­tio­nen und dem verbleiben­den sta­tionären Ange­bot am Klinik­stan­dort Nor­den“ auf der Agen­da. Da die bish­eri­gen öffentlichen Infor­ma­tio­nen seit­ens Land­kreis und Trägerge­sellschaft sog­ar zum Zeit­punkt der bere­its auf Hoch­touren laufend­en „Trans­for­ma­tion“ noch mehr als spär­lich waren, hat­te die Vertreterin der Grü­nen im Auss­chuß eine Behand­lung dieser The­men beantragt. Mit Dr. Axel Schoen­ian und Hel­mut Hage­meis­ter fragten auch zwei Vertreter des Fördervere­ins nach.

Trans­for­ma­tion” im Eil­tem­po :  Von der klin­is­chen Ver­sorgung  zum RTW-Roulette mit der Patientengesundheit

Die „Umwand­lung“, die der Kreistag mit seinem Beschluß am Vortag gän­zlich ohne Ken­nt­nis echter Zukun­ft­s­pla­nun­gen (es gibt sie nicht!) bestätigt hat­te, ist bere­its in vollem Gange. So berichtete Erster Kreis­rat Dr. Puchert, daß bere­its diese Woche die Inten­sivs­ta­tion aufge­hoben wird und die Patien­ten auf die Kliniken in Aurich und Emden ver­legt wer­den. Aus der bish­eri­gen Zen­tralen Notauf­nahme (ZNA) mit 7*24-Stunden Erre­ich­barkeit wird ab 1.7. eine Not­fal­lam­bu­lanz. Deren Betrieb­szeit­en wer­den schrit­tweise reduziert : Im Juli und August wird sie täglich von 8 bis 20 Uhr betrieben, für die Ziel­lö­sung ist ein  Betrieb von Mon­tag bis Sam­stag von 8 bis 18 vorge­se­hen. Außer­halb der Betrieb­szeit­en wird es nach gestern pub­liziert­er Info der Trägerge­sellschaft  einen ärztlichen Hin­ter­grund­di­enst geben. Puchert erläuterte, daß dieses stufen­weise Herun­ter­fahren des Betriebs „mit der Leis­tungs­fähigkeit des Ret­tungs­di­en­stes syn­chro­nisiert“ erfol­gen solle. Erwartet wird, daß durch die vorge­se­hene Bere­it­stel­lung zusät­zlich­er Ret­tungsmit­tel schon ab Sep­tem­ber die Gesamtzeit­en der RTW-Fahrten in die auf­nah­me­bere­it­en umliegen­den Kliniken nicht zu ein­er „Über­las­tung“ des RD führt. Diese läge dann vor, wenn die Erre­ich­barkeit von Patien­ten durch den RD die vorgegebene 15-Minuten-Vor­gabe in min­destens 95% der Fälle nicht mehr einge­hal­ten wer­den kön­nte. Was aber konkret für die Trans­port­dauer bzw die Trans­portwege der Patien­ten aus dem Weg­fall der Norder ZNA fol­gt, ist dabei nicht Gegen­stand. Im Hin­blick auf die Qual­ität und Sicher­heit der Ver­sorgung der Not­fall­pa­tien­ten ist das jedoch ger­ade die kri­tis­che Größe!  Puchert beschwichtigte mit dem Hin­weis, bish­er haben die Ret­tungsmit­tel „noch immer aus­gere­icht“: Für die Ein­hal­tung der rechtlichen Vor­gabe des RD mag es in der Ver­gan­gen­heit ges­timmt haben. Bei der Trans­port­dauer und bei der Abgabe der Patien­ten an auf­nah­me­bere­ite und zur Ver­sorgung der Not­fälle geeignete  Kliniken haben sich allerd­ings in den let­zten Jahren zunehmend gravierende Eng­pässen offen­bart (siehe unseren Bericht hier) . Die Ost­friesen-Zeitung hat durch regelmäßige Stich­proben die Lück­en in der Ver­füg­barkeit wichtiger Abteilun­gen der regionalen Kranken­häuser für die Not­fall­be­hand­lung klar und deut­lich doku­men­tiert. Es ist keineswegs übertrieben,diesen unge­woll­ten „RTW-Touris­mus” als ein Roulette­spiel mit der Gesund­heit der Patien­ten zu charakterisieren.

 

Begren­zte Behand­lungsmöglichkeit­en im “RGZ Nor­den” , Patien­ten­flut in Aurich und Emden

Die Patien­ten­gruppe, die in einem RGZ ver­sorgt wer­den kann und soll, schränk­te Puchert in Abgren­zung zur bish­eri­gen sta­tionären Klinikbe­hand­lung auf „leichter Erkrank­te“ ein, bei denen eine “gesicherte Diag­nose” voraus­ge­gan­gen sein müsse. Sofern diese nicht zu den Betrieb­szeit­en des RGZ durch die dort verbleibende Diag­nos­tik abgedeckt ist, muß dies in Zukun­ft (als dauer­hafte zusät­zliche Auf­gabe) durch Leit­stellen bzw. Ret­tungs­di­en­ste gewährleis­tet wer­den.  Für das RGZ selb­st bleibt es hier bei Rönt­gen, Sono­gra­phie und kar­di­ol­o­gis­ch­er Funk­tion, POCT-Labor wird durch das pflegerische Per­son­al mit wahrgenom­men. Patien­ten, die ern­stere Erkrankun­gen aufweisen oder entsprechende Not­fälle sind, wer­den zukün­ftig durch den RD direkt in die umliegen­den Häuser trans­portiert – ein her­ber Schlag beson­ders für die Älteren und alle auf Unter­stützung aus dem Umfeld angewiese­nen Pati­entIn­nen. Da es bei diesem zunehmenden  „RTW-Touris­mus“ keineswegs nur um die gern ins Feld geführten Herz­in­fark­te und Schla­gan­fälle geht, son­dern um das Gros der Erkrankun­gen , die im Rah­men der Grund­ver­sorgung (nur) sta­tionär behan­del­bar sind, wird sich die Belas­tung der umliegen­den Kliniken mit der Ein­schränkung für Patien­te­nauf­nah­men in Nor­den zwangsläu­fig erhe­blich ver­schär­fen. Damit wer­den sich auch die zur Begrün­dung der sofor­ti­gen Schließung in Nor­den bemüht­en Berech­nun­gen über “ohne­hin geringe Patien­ten­zahlen” als irreführend erweisen.

Das Spek­trum zukün­ftiger Oper­a­tio­nen in Nor­den ver­min­dert sich durch den Weg­fall der Inten­sivs­ta­tion auf einen einge­gren­zten Bere­ich leichter­er, ambu­lanter OPs.

Statt ein­er  7*24 Not­fal­lver­sorgung  jet­zt eine ambu­lante Notfallbehandlung

Wie bere­its Geschäfts­führer Bal­ster bei seinen Erläuterun­gen im Kreistag am 28.Juni unter­strichen hat, wird  das RGZ – auch wenn es sich weit­er­hin „Klinik“ nen­nt — seine ärztlichen Leis­tun­gen im Bere­ich der ambu­lanten Ver­sorgung erbrin­gen. Bal­ster beze­ich­nete die Leis­tun­gen des RGZ als „Ent­las­tung“ der Niederge­lasse­nen Ärzte bei ihrer Auf­gabe der Erfül­lung des Sich­er­stel­lungsauf­trages nach SGB V dar. Als Ker­nauf­gabe der zukün­ftig verbleiben­den Not­fal­lver­sorgung­sein­heit in Nor­den heißt es dazu auch auf der Web­site der Trägerge­sellschaft, diese werde “wie bish­er schw­er­punk­t­mäßig die unzure­ichende ambu­lante Not­fal­lver­sorgungslin­ie in der Region (stärken)”. Hier wird ganz bewußt eine falsches Bild der bish­eri­gen Teil­nahme an der gestuften Not­fal­lver­sorgung (durch das Kranken­haus) geze­ich­net: Den bish­eri­gen sta­tionären Not­fal­lver­sorgungska­paz­itäten wird als Auf­gabe eine Art “Aushil­fe” gegenüber den Not­di­en­sten des ambu­lanten Sek­tors unter­stellt. Daß die  Not­fall­be­hand­lung in der Klinik von gän­zlich ander­er Qual­ität und anderem Umfang ist ‚wird geleugnet, weil man sug­gerieren will, man könne die Leis­tun­gen sta­tionär­er Struk­turen durch Arzt­prax­en “erset­zen”.

Auf der Grund­lage ein­er Ermäch­ti­gung zur ambu­lanten Ver­sorgung (“Insti­tut­ser­mäch­ti­gung”) durch der Zulas­sungsauss­chüsse sollen zukün­ftig im RGZ  ins­ge­samt 8 Ärzte aus den zusam­menge­führten Abteilun­gen Innere Medi­zin und Chirurgie tätig sein. Sie erbrin­gen – finanziell betra­chtet – also Leis­tun­gen der ambu­lanten Ver­sorgung und  wer­den — anders als das Kranken­haus — aus deren Bud­gets finanziert. Beim bish­er einzi­gen RGZ in Nieder­sach­sen in Ankum hat dieser Umstand wegen fehlen­der Abstim­mung mit der KV dazu geführt, daß. sich die Nieder­säch­sis­che KV auf Lan­desebene gegen das neue “Mod­ell” Regionaler Gesund­heit­szen­tren  positioniert .

Auch Im Hin­blick auf die Vorstel­lung von ein­er „7*24-Notfallversorgung“ sollte man sich dessen bewußt bleiben, daß ein RGZ als ambu­lanter Ver­sorg­er eben­falls nur noch den Vor­gaben des niederge­lasse­nen Bere­ichs fol­gen muß und fol­gen soll. Das bedeutet : übliche Prax­iszeit­en, Not­di­en­stzeit­en, und (sofern nicht noch weit­er gehende Vere­in­barun­gen getrof­fen wür­den) den Anruf bei der 116117 als (rechtlich) zuläs­sigem Weg der Sich­er­stel­lung ein­er Rund-um-die-Uhr-Erre­ich­barkeit.  Diese „Zukun­ft der Not­fal­lver­sorgung“ am Stan­dort Nor­den hat mit dem, was in der Ver­gan­gen­heit unter ein­er „Not­fal­lver­sorgung 7*24“ gemeint war und auch dauer­haft für Nor­den ver­sprochen wurde, allerd­ings nichts mehr zu tun.

 

Statamed als neuer Hype : schon wieder ein Leucht­turm am Horizont?

Als zusät­zlich­es neues Ange­bot in einem RGZ Nor­den wurde das Mod­ell­pro­jekt „Statamed“ vorgestellt, an dem ab 1.4.2024 auch das zukün­ftige RGZ in Nor­den mit ins­ge­samt drei Per­so­n­en teil­nehmen soll. “StatAMed” ist ein Mod­ellpo­jekt für eine kurzs­ta­tionäre, all­ge­mein­medi­zinis­che nieder­schwelli­gen Ver­sorgung für Patien­ten in Koop­er­a­tion mit Trägern der ambu­lanten Ver­sorgung. Unter der Führung der AOK wird es an sechs Stan­dorten (drei in Nieder­sach­sen, alle­samt zur Schließung anste­hende bzw. geschlossene Klinik­stan­dorte) erprobt und vom Gemein­samen Bun­de­sauss­chuß (G‑BA) als Mod­el­lver­such gefördert.Eine Analyse des Konzepts und der Ziele haben wir an dieser Stelle vorgenom­men  . Es geht für Nor­den um einen befris­teten Mod­el­lver­such mit ins­ge­samt drei Mitar­bei­t­erIn­nen im Pilotein­satz. Stand heute ist es allein von daher bere­its schlicht über­zo­gen ist, dieses Pro­jekt als zukün­ftiges „Leis­tungsange­bot“ eines RGZ  in Nor­den vorzustellen, das an die Stelle eines  Kranken­haus­es  der Grund­ver­sorgung treten soll. (Das hielt jedoch den Gesund­heits­dez­er­nen­ten nicht davon ab, Nor­den bere­its  als “aus­gewählten Stan­dort” eines Zukun­ftsmod­ells zu beglückwünschen,auf das die Welt (beson­ders die ring­sum in Ost­fries­land) noch “auf­schauen” werde — sich selb­st als den “Propheten” dieser “Zukun­ft­slö­sung” inbegriffen)

Abge­se­hen von der Größenord­nung ergeben sich aber auch bei  ein­er sach­lichen Prü­fung der Umset­zbarkeit im hiesi­gen medi­zinis­chen Umfeld  erhe­bliche Zweifel. Denn so zutr­e­f­fend der Befund der AOK als Pro­jek­tini­tia­tor  ist, dass im Zuge der Schließun­gen wohnort­na­her Kliniken ins­beson­dere für die im Fokus ste­hende Patien­ten­gruppe älter­er, mul­ti­mor­bider und teil­weise pflege­be­fürftiger Men­schen mas­sive Ver­sorgungslück­en entste­hen: Entschei­dend für eine angemessene Gesund­heitsver­sorgung der gesamten Norder Bevölkerung und damit auch der im Zuge von Statamed beschriebe­nen Patien­ten­grup­pen ist die Sich­er­stel­lung der per­son­ellen, finanziellen und organ­isatorischen Voraus­set­zun­gen — das gilt sta­tionär wie ambu­lant. Nur  wenn diese Ressourcen tat­säch­lich ver­füg­bar wären, wäre auch eine Zusam­me­nar­beit in einem wie auch immer gedacht­en „Gesund­heit­snetz“ prak­tisch umset­zbar, Das Gegen­teil ist bei uns seit Jahren der Fall.

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