Petition des Aktionsbündnisses Krankenhaus Norden

Das Aktions­bünd­nis Kranken­haus Nor­den hat eine Peti­tion an den Nieder­säch­sis­chen Land­tag zur Sich­er­stel­lung der Not­fal­lver­sorgung an der UEK in Nor­den bis zur Eröff­nung der geplanten Zen­tralk­linik ges­tartet. Ziel ist es, den Peti­tion­sauss­chuss dazu zu bewe­gen, sich für die Erhal­tung der Basis­not­fal­lver­sorgung für die Men­schen im Altkreis Nor­den für die Jahre bis zur Inbe­trieb­nahme der Zen­tralk­linik in Uth­w­er­dum im beste­hen­den Kranken­haus Nor­den einzuset­zen. Um unnötiges Leid der Bevölkerung oder gar Fälle mit Todes­folge zu ver­mei­den, soll der Land­kreis Aurich dazu ange­hal­ten wer­den, die Ver­sorgung in und um Nor­den min­destens nach den Vorschriften des Gemein­samen Bun­de­sauss­chuss­es (G‑BA) zur Basis­not­fal­lver­sorgung sicherzustellen. Dazu muss der begonnene Abbau der Inten­sivka­paz­itäten sofort rück­gängig gemacht wer­den  und die Rund-um die Uhr-Ver­füg­barkeit wieder hergestellt werden.

Zur aus­führlichen Begrün­dung der Peti­tion siehe den nach­ste­hen­den Text. Sie ist auch auf der Inter­net­seite aktionsbündnis-norden.de nachzulesen.

Der Fördervere­in ruft zur Unter­stützung und Mitze­ich­nung der Peti­tion auf und bitte die Unterze­ich­nen­den, die Eingabe auch an Ver­wandte, Fre­unde, Bekan­nte und Arbeit­skol­legin­nen und ‑kol­le­gen weit­erzuleit­en !

 

(Aufruf des Aktionsbündnisses :

Ihre unter­stützende Stimme wird gebraucht. Bitte zeich­nen Sie hier:

https://www.openpetition.de/petition/online/sicherstellung-der-basisnotfallversorgung-in-norden-ostfriesland

 

Worum es geht:

Ich unter­stütze mit mein­er Unter­schrift die Peti­tion an den Nieder­säch­sis­chen Landtag:

Sich­er­stel­lung der Basis­not­fal­lver­sorgung in Norden/Ostfriesland


Wir bit­ten den Peti­tion­sauss­chuss, sich dafür einzuset­zen, die Not­fal­lver­sorgung für die Men­schen im Altkreis Nor­den für die Jahre bis zur Inbe­trieb­nahme der Zen­tralk­linik in Uth­w­er­dum im beste­hen­den Kranken­haus Nor­den zu sich­ern. Um unnötiges Leid der Bevölkerung oder gar Fälle mit Todes­folge zu ver­mei­den, muss der Land­kreis Aurich sich­er­stellen, dass die Ver­sorgung in Nor­den min­destens so gut ist, wie der Gemein­same Bun­de­sauss­chuss (G‑BA) das zur Basis­not­fal­lver­sorgung vorschreibt.

Begrün­dung:


Seit dem 1. Juli 2023 ist die Ubbo Emmius Klinik in Nor­den kein Kranken­haus mehr. Die Trägerge­sellschaft der Kliniken Aurich-Emden-Nor­den mbH, ANEVITA, will sie mit Bil­li­gung des Land­kreis­es Aurich gegen den ein­stim­mi­gen Willen des Stad­trates von Nor­den zu einem Regionalen Gesund­heit­szen­trum umbauen. Eine ​Demon­stra­tion, an der sich etwa 10% der Bevölkerung beteiligte, hat sich für den Erhalt des Norder Kranken­haus­es inklu­sive Not­fal­lver­sorgung aus­ge­sprochen. Aufgerufen dazu hat­te das ​Aktions­bünd­nis Kranken­haus Nor­den, an dem sich u. a. Mit­glieder aller Parteien beteiligten


Von der Schließung des KH Nor­den sind laut dem Ver­band der Geset­zlichen Kranken­ver­sicherung (GKV) mehr als 51.000 Men­schen betrof­fen, wobei der Bedarf nach Berech­nun­gen des Insti­tute for Health-Care and Busi­ness HCB bis zum Jahre 2030 um 18% gegenüber 2019 steigt. Dazu kom­men noch viele Urlauber, die jedes Jahr in Nor­den und Nord­de­ich Ferien machen. Im Jahr 2022 wur­den über zwei Mil­lio­nen Über­nach­tun­gen gezählt.

 

Die Trägerge­sellschaft der Kliniken ist dabei, wichtige Ein­rich­tun­gen für die Not­fal­lver­sorgung abzuschaf­fen, die der Gemein­same Bun­de­sauss­chuss (G‑BA) für eine gute Kranken­haus­pla­nung vorschreibt (z.B. einen Schock­raum, eine Inten­sivs­ta­tion mit Beat­mungsplätzen, die Chirurgie, die Innere Medi­zin und die Anästhesie).

 

Auch die Empfehlun­gen der Enquete Kom­mis­sion des Nieder­säch­sis­chen Land­tages für eine qual­i­ta­tiv hochw­er­tige und wohnort­na­he medi­zinis­che sta­tionäre Ver­sorgung, die für die quan­ti­ta­tive Bet­te­nausstat­tung in ihrem Bericht u. a. auf Seite 73 auf den OECD-Durch­schnitt ver­weist, bleiben unberück­sichtigt, da für den Bere­ich Aurich/Emden/Norden die Bet­ten­zahl der OECD je 100.000 Ein­wohn­er (Ew) von 440 mit Erhalt des Norder Kranken­haus­es (331 Betten/100.000 Ew) um rund 25% unter­schrit­ten wird, bei Weg­fall der Norder Bet­ten (279 Betten/100.000 Ew) gar um 37%. Die Türkei z. B. schnei­det mit 290 Betten/100.000 Ew bess­er ab. Zum Ver­gle­ich: Das Land Nieder­sach­sen weist 511 Bet­ten je 100.000 Ein­wohn­er im Jahr 2021 auf!

Wer übern­immt die Ver­ant­wor­tung für Tausende von Not­fall­pa­tien­ten für die Jahre bis zur Inbe­trieb­nahme der Zentralklinik?

 

Die geplante Zen­tralk­linik ist noch lange nicht fer­tig. Sie existiert bish­er nur als Plan. Bis sie eröffnet wird, dürfte es noch min­destens 5 – 6 Jahre dauern. Der Land­kreis Aurich will zwar den Ret­tungs­di­enst aus­bauen, aber das reicht nicht aus, um die Men­schen im Not­fall inten­sivmedi­zinisch zu ver­sor­gen. Das Regionale Gesund­heit­szen­trum kann das eben­falls nicht leisten.

 

Eine gut funk­tion­ierende, derzeit nicht mehr gegebene Not­fall- und Akutver­sorgung in Nor­den ist von wesentlich­er Bedeu­tung für die Gesund­heitsver­sorgung. Für Men­schen in lebens­bedrohlichen Sit­u­a­tio­nen sowie Pati­entin­nen und Patien­ten mit einem notwendi­gen Behand­lungs­be­darf in Nor­den war sie die erste Anlauf­stelle im Gesund­heitssys­tem, die schnell wieder­hergestellt wer­den muss.  Nach Angaben der Trägerge­sellschaft gab es 2022 rund 13.000 Kon­tak­te in der Notauf­nahme des Kranken­haus­es Norden.

 

Davon wur­den nach Angaben der Trägerge­sellschaft 40% aufgenom­men, wom­it es sich im Jahre 2022 um 5200 Not­fälle mit sta­tionärem Bedarf han­delte. Hochgerech­net sind das bis zur Inbe­trieb­nahme der Zen­tralk­linik in fünf Jahren etwa 26.000 Not­fälle in Nor­den. Wer übern­immt die Ver­ant­wor­tung für diejeni­gen Fälle mit schw­erem Ver­lauf, die im RGZ tat­säch­lich oder wegen der ein­schränk­ten Öff­nungszeit­en nicht sta­bil­isiert wer­den kön­nen oder die im Ret­tungswa­gen wegen oft gle­ichzeit­ig abgemelde­ter Inten­sivs­ta­tio­nen in Aurich und Emden weit­er ent­fer­nte Kliniken nicht rechtzeit­ig erre­ichen kön­nen oder die kün­ftig nur deshalb nicht ins Kranken­haus fahren, weil Aurich und Emden für sie wegen eines fehlen­den Pkw oder zu hoher Taxikosten zu weit ent­fer­nt ist? Die Not­fal­lver­sorgung im Land­kreis Aurich ist schon seit län­gerem unzure­ichend, was von der örtlichen Presse wieder­holt nachgewiesen wurde. Zulet­zt macht­en Mitar­beit­er des Ret­tungs­di­en­stes öffentlich darauf aufmerk­sam, was den Träger offen­bar nicht anficht, da der Man­gel nicht abgestellt und die Ver­ant­wor­tung den Ärzten aufge­bürdet wird, die in ihrer Not zur Triage gezwun­gen werden!

Fehlen­des Per­son­al vorsät­zlich herbeigeführt

 

Die Trägerge­sellschaft begrün­det die Schließung im Wesentlichen mit fehlen­den medi­zinis­chen Fachkräften, ins­beson­dere Assis­ten­zärzten, so dass die notwendi­gen Stellen nicht oder nur mit teuren Hon­o­rarkräften beset­zt wer­den kön­nen. Diese Begrün­dung ist nicht stich­haltig, da der Kranken­haus­träger die aus­bleiben­den Bewer­bun­gen von Assis­ten­zärzten vorsät­zlich her­beige­führt hat. War­nun­gen zum Trotz wur­den bere­its im Jahre 2020 durch die Ver­set­zung eines Arztes mit voller Weit­er­bil­dungser­mäch­ti­gung von Nor­den in die Klinik Aurich die Voraus­set­zun­gen für die Aus­bil­dung von Fachärzten im Kranken­haus Nor­den fak­tisch aufge­hoben, weil der ermächtigte Arzt verpflichtet ist, die Weit­er­bil­dung per­sön­lich und grund­sät­zlich ganztägig zu leit­en sowie inhaltlich und zeitlich entsprechend §6 (4) der ​Weit­er­bil­dung­sor­d­nung der Ärztekam­mer Nieder­sach­sen zu gestal­ten. Die Folge ist, dass sich keine Assis­ten­zärzte mehr nach Nor­den bewer­ben. Offen­bar gibt es aber genü­gend Ärzte, son­st wür­den diese nicht als Hon­o­rarkräfte von Lei­har­beits­fir­men bezo­gen wer­den kön­nen. Weit­er­bil­dungsmöglichkeit­en zum Facharzt, die all­ge­meine Verbesserung der Arbeits­be­din­gun­gen und mehr Wertschätzung aller Beschäftigten durch die Trägerge­sellschaft als Arbeit­ge­ber wür­den die Fluk­tu­a­tion ver­ringern und die Bewer­bungslage sowohl bei den Ärzten als auch bei den Pflegekräften verbessern. Umliegende Kliniken in Leer, Wittmund und West­er­st­ede machen erfol­gre­ich vor, wie das geht.

Zu weite Ent­fer­nun­gen zum näch­sten OP-Saal

 

Ent­ge­gen­zutreten ist auch den Aus­führun­gen des Sozialmin­is­ters Dr. Phillipi während der 17. Sitzung des nieder­säch­sis­chen Land­tags am 22.6.2023, dass die Fahrzeit nach Aurich laut Google nur 30 Minuten betrage und die Kliniken in Aurich und Emden für schw­erere Fälle aus Nor­den rund um die Uhr zur Ver­fü­gung stän­den. Der Kliniksim­u­la­tor der GKV, welch­er als Grund­lage für den Gren­zw­ert des G‑BA dient, weist für die Schließung der Klinik Nor­den für mehr als 51.000 Ein­wohn­er eine durch­schnit­tliche Fahrzeit länger als 30 PKW-Minuten zum näch­sten Grund­ver­sorg­er auf; für die Bewohn­er der Küstenge­bi­ete sog­ar mehr als 40 PKW-Minuten. Tat­säch­lich sind oft durch Baustellen, Ampeln, Straße­nun­fälle, Verkehrsspitzen während der Rush-Hour und Ferien­zeit­en, langsam fahrende Trak­toren real­is­tis­che Fahrzeit­en von Nor­den nach Aurich mit knapp ein­er Stunde Fahrzeit zu kalkulieren.

 

Speku­la­tio­nen des Min­is­ters in sein­er Rede darüber, dass “ein RTW keine Blitzer beacht­en müsse und daher schneller am Ziel sei”, machen die Unken­nt­nis über die Not­fal­lver­sorgung deutlich:

 

ein Ret­tungswa­gen kann grund­sät­zlich bei weit­em nicht mit der Max­i­malgeschwindigkeit gefahren wer­den, auf der Trage liegt ein kranker Men­sch. Eine Alarm­fahrt mit hoher Geschwindigkeit und Not­brem­sun­gen – die bei hoher Geschwindigkeit öfter vorkom­men, weil nicht jed­er Verkehrsteil­nehmer rechtzeit­ig den her­an­na­hen­den Ret­tungswa­gen wahrn­immt – sind für den Patien­ten und das Per­son­al kör­per­lich und auch psy­chisch sehr belas­tend. Deshalb muss ins­beson­dere auch bei Ver­dacht auf Knochen­brüche oder bei Herzkreis­lauf-Erkrankun­gen trotz Alarm scho­nend trans­portiert wer­den. Außer­dem kann es während des Trans­portes nötig sein, dass Ret­tungs­di­en­st­per­son­al im Ret­tungswa­gen auf­ste­hen muss, um Kon­trollmes­sun­gen oder Behand­lun­gen durchzuführen. Das Per­son­al ist bei Tätigkeit­en im Ste­hen nicht angeschnallt.

 

Inten­sivs­ta­tio­nen und RTW überlastet

 

Die Ver­sorgung der schw­eren Not­fälle aus dem Altkreis Nor­den in den Kliniken Emden und Aurich ist überdies nicht gewährleis­tet. So kommt es auf dem Por­tal IVENA wegen unzure­ichen­der Kapaz­itäten in Aurich und Emden oft zur Abmel­dung der Inten­sivs­ta­tio­nen dieser Kranken­häuser. IVENA ist für die Ret­tungs­di­en­ste die Pla­nungs­grund­lage für ihre Anfahrten. Hierüber berichtete bere­its mehrfach der Reporter Andreas Ellinger in der Ost­friesen-Zeitung. RTW Fahrten aus dem Land­kreis in sehr viel weit­er ent­fer­nte Kliniken (z. B. Leer, West­er­st­ede, Old­en­burg, Del­men­horst, Bre­men, Lönin­gen) wer­den von Patien­ten häu­fig beschrieben. Ein Man­gel an Inten­siv­bet­ten im Land­kreis ist bere­its länger Gegen­stand von Diskus­sio­nen. Ost­fries­land gehört zu den Regio­nen mit ver­mei­d­bar­er Über­sterblichkeit der Bevölkerung in Deutschland.

 

Die Kapaz­itäten des Ret­tungs­di­en­stes in Ost­fries­land sind laut Recherchen der Ost­friesen-Zeitung seit min­destens 1,5 Jahren knapp bis nicht aus­re­ichend, so dass die vorgeschriebene Hil­fs­frist in manchen Fällen nicht einge­hal­ten wer­den kann. Öffentlich ist jüngst von den Ost­friesis­chen Nachricht­en ein Fall berichtet wor­den, nach dem die Pati­entin und ihre Hausärztin 70 Minuten auf den Ret­tungswa­gen warten musste. Und die Ost­friesen-Zeitung hat bei den Geset­zlichen Krankenkassen recher­chiert, dass ent­ge­gen den Ankündi­gun­gen der Kreisver­wal­tung Aurich wed­er die Ret­tungs­di­en­stka­paz­itäten erhöht wur­den noch Pla­nun­gen dafür vorge­se­hen sind.

 

Durch die Auf­gabe der inten­sivmedi­zinis­chen Ver­sorgung des Kranken­haus­es Nor­den beste­ht eine an Sicher­heit gren­zende Wahrschein­lichkeit, dass es hier­durch zu Todes­fällen durch die weg­fal­l­ende Basis-Not­fal­lver­sorgung des Kranken­haus­es kom­men dürfte. Wed­er ein RGZ noch der Ret­tungs­di­enst kann eine inten­sivmedi­zinis­che Ver­sorgung erset­zen. Das Ver­fas­sungs­ge­bot zum Her­stellen gle­ich­w­er­tiger Lebensver­hält­nisse wird somit für die Küsten­re­gion um Nor­den in der Gesund­heitsver­sorgung ins Gegen­teil verkehrt.

 

Ret­tungs­di­enst kann Basis-Not­fal­lver­sorgung im Kranken­haus nicht ersetzen

 

Die Aus­sage des Min­is­ters, man werde daher die Anzahl der Ret­tungswa­gen erhöhen, geht fehl. Zunächst ein­mal ist es banale Real­ität, dass Ret­tungs­di­enst und Kranken­häuser zwei völ­lig unter­schiedliche Organ­i­sa­tio­nen mit unter­schiedlichen Auf­gaben sind. Bun­desweit gibt es bei­des flächen­deck­end, Kranken­häuser und Ret­tungs­di­enst – nir­gends übern­immt die eine Struk­tur die Auf­gabe der anderen. Überdies kön­nen auch weit­ere Ret­tungswa­gen ein schnell erre­ich­bares Kranken­haus mit Inten­sivs­ta­tion grund­sät­zlich nicht erset­zen. Oper­a­tio­nen sowie jegliche ster­ilen Ein­griffe, die einen Patien­ten leben­sret­tend sta­bil­isieren kön­nten, kön­nen im Ret­tungswa­gen nicht durchge­führt werden:

Real­is­tis­che Notfallszenarien

 

Leben­sret­tend sta­bil­isierende Ein­griffe sind beispielsweise:

 

a) das ster­ile Leg­en arterieller Zugänge zur kon­tinuier­lichen Blut­druckmes­sung. Dies ist ins­beson­dere bei kreis­laufin­sta­bilen Patien­ten wichtig, da die “nor­male” Blut­druckmes­sung nach Riva Roc­ci ein ständi­ges Auf­pumpen ein­er Man­schette erfordert und zwis­chen den einzel­nen Mes­sun­gen min­destens 5 Minuten liegen soll­ten, um unver­fälschte Werte zu erhal­ten. Bei kreis­laufin­sta­bilen Patien­ten sollte ein Blut­druck­ab­fall sofort fest­stell­bar sein und nicht erst nach 5 Minuten, um leben­sret­tende Maß­nah­men wie z. B. die Gabe von Kat­e­cholami­nen oder Medika­menten zur Herzrhyth­mussta­bil­isierung rechtzeit­ig ein­leit­en zu können.

 

b) das ster­ile Leg­en von zen­tralen Venenka­thetern (ZVK) zur Gabe von Kat­e­cholami­nen bei Rean­i­ma­tio­nen, Schock­zustän­den und schw­eren aller­gis­chen Reak­tio­nen. Kat­e­cholamine führen z. T. zu ein­er Veren­gung periph­er­er Blut­ge­fäße. Ein periph­er­er Venen­zu­gang würde hier­durch möglicher­weise zuge­hen und wäre dann unbe­nutzbar. Ein zen­traler Venenka­theter ist groß­lu­mig genug, um auch wieder­holte und höher­dosierte Kat­e­cholamingaben zu ermöglichen.

 

c) oper­a­tive Gefäßnähte bei starken inneren Blu­tun­gen. Manche arterielle Blu­tungsquellen liegen der­art ungün­stig (z. B. Bauchraum, Hals, Kopf usw.), dass sie ohne oper­a­tive Eröff­nung nicht zugänglich sind und somit auch keine Blut­stil­lung (z. B. Druck­kom­presse) bis zum Ein­tr­e­f­fen im OP erfol­gen kann. Bei ein­er Fahrzeit von mehr als 30 Minuten wäre der Patient bis zum Ein­tr­e­f­fen im KH verblutet.

 

d) eine oper­a­tive Druck­ent­las­tung bei starken intrakraniellen Blu­tun­gen (z. B. unter Blutverdün­nungsmedika­menten wie Mar­cum­ar). Bei intrakraniellen Blu­tun­gen führt der zunehmende Druck der Blu­tung auf das Gehirn zum Abster­ben lebenswichtiger Zen­tren. Gehirngewebe wächst nicht nach. Der Patient würde ohne zeit­na­hen oper­a­tiv­en Dekom­pres­sion­se­in­griff bei stark erhöhtem intrakraniellen Druck voraus­sichtlich schwere Behin­derun­gen auf ein­er lan­gen Anfahrt ins Kranken­haus erlei­den und wäre schlimm­sten­falls bei Ankun­ft tot.

 

Seit dem Weg­fall­en der Basis-Not­fal­lver­sorgung der UEK Nor­den wird dort auch keine 24/7‑Notfallradiologie mehr vorge­hal­ten, was die Diag­nos­tik ein­er intrakraniellen Blu­tung erst in Aurich oder Emden ermöglicht. Hier­durch geht zusät­zlich wichtige Zeit für den Patien­ten ver­loren, welche andern­falls in die Oper­a­tionsvor­bere­itung und Einbestel­lung eines geeigneten Chirur­gen für den Ein­griff geflossen wäre.

 

All­ge­meine Unfallchirur­gen ler­nen zwar leben­sret­tende, neu­rochirur­gis­che Stan­dard­not­fall­e­in­griffe, mitunter kann jedoch das schnelle Hinzuziehen eines spezial­isierten Neu­rochirur­gen zur Oper­a­tion notwendig wer­den. Wed­er das HSK Emden noch die UEK Aurich betreiben eine eigene Neu­rochirur­gis­che Abteilung. In Emden gibt es lediglich eine neu­rochirur­gis­che Prax­is mit Beleg­bet­ten im KH. Eine ständi­ge neu­rochirur­gis­che Not­fal­lver­füg­barkeit ist daher an diesen Stan­dorten nicht gegeben. Schlimm­sten­falls liegt eine kom­plizierte intrakranielle Blu­tung vor, der notwendi­ge Neu­rochirurg kann erst nach radi­ol­o­gis­ch­er Diag­nos­tik in Emden/Aurich ver­ständigt und einge­flo­gen wer­den und alle Inten­siv­bet­ten in Aurich und Emden sind belegt, wie es in den ver­gan­genen Wochen in diesen bei­den Kliniken nach Infor­ma­tion­slage des Inten­siv­bettmon­i­tor­ings und der regionalen Presse sehr häu­fig der Fall war. Der fatale Aus­gang für den betrof­fe­nen Patien­ten wäre dadurch nahezu vorprogrammiert.

 

e) das Vorhal­ten geeigneter Blutkon­ser­ven zur sta­bil­isieren­den Gabe bei starkem Blutver­lust. Blutkon­ser­ven kön­nen auf­grund der ständi­gen Erschüt­terun­gen im reg­ulären RTW nicht gelagert wer­den. Soll­ten Blutkon­ser­ven zur Sta­bil­isierung notwendig wer­den, kön­nte das Fehlen der­sel­bi­gen eine vitale Gefährdung des Patien­ten darstellen.

 

f) Möglichkeit­en zur Not­fal­l­en­doskopie in der inneren Medi­zin z.B. bei Intoxika­tio­nen oder Ver­schluck­en gefährlich­er Gegen­stände (z. B. Bat­te­rien) oder Flüs­sigkeit­en in suizidaler Absicht. Der Träger will die Psy­chi­a­trie mit Akutpsy­chi­a­trie am Stan­dort erhal­ten. Suizidale Ten­den­zen sind bei akutpsy­chi­a­trischen Patien­ten häu­fig zu beobacht­en. Mit Weg­fall not­fal­l­en­doskopis­ch­er Meth­o­d­en der inneren Medi­zin kön­nten z. B. eine Über­do­sis Tablet­ten oder eine ätzende Säure (z. B. durch suizidales Trinken von Reini­gungsmit­teln oder sich auflösende Bat­te­rien) entsprechend lange zer­set­zend auf die inneren Organe des Patien­ten ein­wirken. Der Notarzt wäre dadurch nahezu gezwun­gen auf der Fahrt zum näch­sten KH dem sehr quälen­den Prozess der Zer­set­zung der inneren Organe des Patien­ten zuzuse­hen, ohne wirk­lich helfend ein­greifen zu können.

 

Dies ist eine Auswahl an Not­fall­szenar­ien, welche durch Weg­fall der Basis­not­fal­lver­sorgung zum Tod oder zur schw­eren Behin­derung von Patien­ten führen kön­nen. Zwar gibt es soge­nan­nte Spezial-RTW, die bess­er aus­ges­tat­tet sind als die “nor­malen”, z. B. RTW Stroke-Mobil, RTW-Inten­siv­trans­port­fahrzeug, Schw­er­last-Trans­port­fahrzeug, usw. Diese erset­zen jedoch nicht das inter­diszi­plinäre Kranken­haus. Beschaf­fung dieser bedeutet: Fahrzeuge haben eine lange Vorbestel­lungs­frist und sind teur­er, als die Ersatz­pla­nun­gen es vorse­hen. Durch die län­geren Trans­portzeit­en des RTW von Nor­den in die Periph­erie sind erschw­erend auch die dor­ti­gen Notärzte und Ret­tungs­di­en­stler länger gebun­den und kön­nen erst nach Rück­kehr in Nor­den wieder einge­set­zt wer­den. Dies führt zur zusät­zlichen Verk­nap­pung an Not­fall­helfern. Teil­weise war es deswe­gen zumin­d­est zwis­chen Emden und Nor­den üblich, dass Notärzte die Patien­ten in Georgsheil (ca. geo­graphis­che Mitte zwis­chen bei­den Städten) auf einem Park­platz übergeben haben. Dies war auf der Inten­sivs­ta­tion in Emden all­ge­mein bekan­nt und wurde laut Aus­sage damals dort tätiger Notärzte etliche Male so gehand­habt. Durch die Notarztverk­nap­pung müssten nun weit­ere Notärzte der Notarzt­börse als Hon­o­rarärzte gemietet wer­den. Diese ken­nen jedoch den Land­kreis nicht, sprechen meist kein Platt, sind wed­er ort­skundig und mitunter nicht an die medi­zinis­chen Geräte im frem­den RTW eingewiesen.

Kleinere Not­fälle kön­nen sich auswachsen

 

Auch bei kleineren Not­fällen ist der Weg­fall des Kranken­haus-Grund­ver­sorg­ers in Nor­den für die Bevölkerung deut­lich neg­a­tiv spür­bar. Regelmäßig vork­om­mende Beispiele für „kleine Not­fälle”, die jedoch auch wichtig sind:

 

a) Schnit­twunde beim Grillen am Abend oder bei der Garte­nar­beit am Sam­stag, wenn also keine chirur­gis­che Prax­is geöffnet ist. Das ist kein Fall für den Ret­tungs­di­enst. Auf­grund der eingeschränk­ten Öff­nungszeit­en des RGZ in Nor­den kann die Wunde dort nicht mehr genäht wer­den. Für den Trans­port nicht bedrohlich­er Not­fälle ist der Ret­tungs­di­enst nicht zuständig. Ein Taxi nach Aurich oder Emden kostet inclu­sive Rück­fahrt von Nor­den aus min­destens 150,-€. Dieses Geld hat nicht jed­er Mit­bürg­er ein­fach so in der Geld­börse. Bei ambu­lanten Behand­lun­gen übernehmen die Krankenkassen diese Kosten regelmäßig nicht (nur ab Pflege­grad 3 bzw. Behin­derte­nausweis mit Merkze­ichen aG, H oder Bl, das ist bei der über­wiegen­den Mehrzahl der Patien­ten nicht der Fall).

 

b) Ein Bewohn­er eines der vie­len Heime in Nor­den und Umge­bung stürzt abends aus dem Bett – die näch­ste Gele­gen­heit für ein Rönt­gen und Auss­chluss oder Bestä­ti­gung eines Knochen­bruch­es wird dann voraus­sichtlich in Aurich oder Emden sein.

 

c) Tourist stürzt im Hafen in Nord­de­ich, hat eine Schwellung am Handge­lenk – auch für ihn wird bei Stre­ichung der Grund­ver­sorgung in Nor­den gel­ten: Rönt­gen und ggf. Behand­lung voraus­sichtlich nicht näher als in Emden oder Aurich, zumin­d­est außer­halb der Praxisöffnungszeiten.

 

Not­fälle oft nicht sofort erkennbar

 

Oft ist es schw­er, einen Not­fall als solchen zu erken­nen. Bei unklaren Symp­tomen ist eine kom­pe­tente, nieder­schwellige und ort­sna­he Abklärung unbe­d­ingt nötig.

Also ein 24-stündig geöffnetes Kranken­haus mit Grund­ver­sorgung vor Ort.

 

Oft ist wed­er dem Patien­ten noch Ange­höri­gen oder dem Ret­tungs­di­enst klar, welche Erkrankung ein Men­sch mit Beschw­er­den let­ztlich hat. Diese müssen zunächst diag­nos­tisch ein­ge­ord­net wer­den. In vie­len Fällen kann der Ret­tungs­di­enst oder ein Notarzt nicht defin­i­tiv vor Ort ohne weit­ere Diag­nos­tik eines KH ein Beschw­erde­bild klären. Nach Ein­liefer­ung stun­den­lang in der Auf­nahme zu sitzen und hin­ter­her auf den Taxikosten der Rück­fahrt sitzen­zubleiben, dürfte in Zukun­ft regelmäßig Mit­bürg­er aus der Umge­gend von Nor­den davon abhal­ten, unklare, aber poten­ziell lebens­bedrohliche Beschw­er­den orts- und zeit­nah kom­pe­tent abklären zu lassen.

 

Die Trägerge­sellschaft der Kliniken Emden, Aurich und Nor­den agiert seit langem hin­sichtlich ihrer Pläne und Maß­nah­men intrans­par­ent für die Bevölkerung, die niederge­lasse­nen Ärzte und weit­ere Akteure des Gesund­heitswe­sens. Daher ist unver­ständlich, wieso das Sozialmin­is­teri­um sich in wesentlichen Punk­ten auss­chließlich auf die Aus­sagen der Trägerge­sellschaft stützt und nicht eigene Zus­tand­ser­mit­tlun­gen vorn­immt, beispiel­sweise durch Ein­schal­tung der Kommunalaufsicht.

 

Ärztev­ere­in kri­tisiert Klinikschließung scharf

 

Die Ärzte aus dem Einzugs­bere­ich des Kranken­haus­es Nor­den bekla­gen, dass sie offiziell bis heute nicht über die Änderun­gen in der Ver­sorgung durch das Norder Kranken­haus oder den Land­kreis informiert wurden.

 

Der Auf­sicht­srat der Trägerge­sellschaft hat­te Mitte April 2023 seine Kom­pe­tenz über­schre­i­t­end beschlossen, das Kranken­haus zum 1.7.2023 zu schließen. Hausärzte, Kassenärztliche Vere­ini­gung, niederge­lassene Fachärzte, Ärztev­ere­in und viele kom­mu­nale Akteure im Gesund­heitswe­sen haben hier­von erst aus der Presse erfahren. Darüber hin­aus kri­tisiert der Ärztev­ere­in des Altkreis­es Nor­den in der Presse: “Das Kranken­haus Nor­den war früher gut aufgestellt. Sukzes­sive hat man es erstickt — vom leis­tungs­fähig­sten Klinikum zu dem Zus­tand jetzt.”


Auf der Insel Norder­ney wird die vorzeit­ige Schließung der soma­tis­chen Abteilun­gen in Nor­den
eben­falls kri­tisch gese­hen.

 

Frag­würdi­ge Berech­nungsmeth­o­d­en der Trägergesellschaft

 

In diesem Zusam­men­hang ist grund­sät­zlich fraglich, auf welch­er Berech­nungs­grund­lage, die von der Trägerge­sellschaft für das Jahr 2023 behaupteten “12 Mio Euro neg­a­tives Jahre­sergeb­nis allein durch das Kranken­haus Nor­den” beruhen. Im Jahre 2021 betrug der Jahres­fehlbe­trag in der Gewinn- und Ver­lus­trech­nung für die Kliniken in Aurich und Nor­den zusam­men rund 5 Mio Euro. Nicht durch Eigenkap­i­tal gedeckt waren es in der Bilanz 2021 nur 1.8 Mio Euro. Die Bilanzen der einzel­nen Kliniken wer­den seit eini­gen Jahren nicht mehr nach getren­nten Stan­dorten Aurich und Nor­den aus­gewiesen, so dass seit­dem eine Über­prü­fung der Zahlen im Nach­hinein von außen aus­geschlossen ist. Die Hochrech­nun­gen der Trägerge­sellschaft für das laufende Jahr unter­stellen eine “Hal­bierung der Patien­ten­zahlen im Ver­gle­ich zu 2018 mit nur 10 soma­tis­chen Patien­ten pro Tag”. Im Jahre 2021 waren es mehr als dop­pelt so viele. Das behauptete Defiz­it dürfte denn auch speku­la­tiv und zweck­gerichtet sein, da die Trägerge­sellschaft im Jahr 2023 in ihrem Qual­itäts­bericht an den G‑BA 2021 des Kranken­haus­es für das Jahr 2021 des Kranken­haus­es Nor­den eine voll­sta­tionäre Fal­lzahl von 6491 aus­gewiesen hat.

 

Para­dox scheint rück­blick­end auch die Argu­men­ta­tion der Trägerge­sellschaft, in der Coro­na-Pan­demie die inten­sivmedi­zinis­che Ver­sorgung im Land­kreis stärken zu wollen. Hierzu wurde mit den Fördergeldern des Bun­des in Höhe von 50.000 Euro für jedes neue Inten­siv­bett ein ursprünglich psy­chi­a­trisch genutzter Teil­bere­ich des Kranken­haus­es Nor­den zur Inten­sivs­ta­tion umge­wan­delt. Trotz nach­weis­lich anhal­tender Kapaz­ität­sprob­leme bei der inten­sivmedi­zinis­chen Ver­sorgung der Bevölkerung in den Land­kreisen Aurich und Leer wur­den diese Inten­siv­bet­ten kurze Zeit später wieder abgeschafft.”

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